Wie bereits berichtet, hat das Bundesministerium der Finanzen („BMF“) am 4. Oktober 2024 einen Referentenentwurf für ein Anlegerschutzverbesserungsgesetz („RefE AnlVerG“) veröffentlicht, welcher en passant eine Änderung des Vermögensanlagengesetzes („VermAnlG“) vorsieht. Diese Änderung könnte weitreichende Auswirkungen insbesondere auf Investitionen durch Business Angel in Start-ups haben, da das VermAnlG alle typischen Anlageinstrumente einer Venture Capital-Finanzierung – insbesondere auch GmbH-Anteile, Zwischenfinanzierungs- und Wandeldarlehen – umfasst.
Der RefE AnlVerG sieht – im Namen des Anlegerschutzes – verschärfende Änderungen im Bereich der Ausnahmevorschriften im VermAnlG vor. Bislang können Start-ups bei Finanzierungsrunden unproblematisch GmbH-Anteile oder andere Finanzierungsinstrumente (öffentlich) anbieten und dabei von verschiedenen (teils kombinierbaren) Ausnahmevorschriften profitieren, die sie vor allem von der aufwendigen Prospektpflicht befreien:
Infolge der Existenz dieser Ausnahmen kann eine Prospektpflicht für Venture Capital-Finanzierungen von Start-ups regelmäßig vermieden werden. Dies könnte sich nun ändern!
Der Gesetzgeber plant die folgenden zwei verschärfenden Änderungen (s. für Details unsere vorherigen Blogbeitrag hier), wobei vor allem der zweiten eine erhebliche Bedeutung für Venture Capital-Finanzierungen zukommt:
Es ist davon auszugehen, dass diese geplante Änderung trotz des Regierungswechsels umgesetzt werden wird. Zwar gibt es noch keinen Regierungsentwurf zum AnlVerG, d.h. das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren wurde noch nicht eingeleitet. Allerdings ist uns aufgrund persönlicher Gespräche mit der BaFin bekannt, dass diese von Umgehungsstrukturen im Markt ausgeht und daher einen starken Handlungsbedarf sieht. Es ist daher davon auszugehen, dass die BaFin auch nach einem Regierungswechsel sehr auf die Umsetzung der dargestellten Einschränkungen der Ausnahmen drängen dürfte.
Starts-ups konnten sich bislang darauf verlassen, dass das Angebot in einer Venture Capital-Finanzierungsrunde aufgrund der genannten Ausnahmenvorschriften (gem. § 2 Abs. 1 VermAnlG) von der Prospektpflicht nach dem VermAnlG befreit ist.
Das wird zukünftig in dieser Klarheit nur noch für Venture Capital-Finanzierungsrunden gelten, die ihren Investorenkreis auf Institutionelle Investoren oder eine Mindestinvestitionssumme in Höhe von EUR 200.000 begrenzen.
Soweit eine Finanzierungsrunde ihren Investorenkreis auf einen begrenzten Personenkreis beschränkt und sich damit auf die unscharfe Ausnahme des begrenzten Personenkreises gestützt hat, so kann sie dies jedenfalls in Zukunft nach den geplanten Änderungen nicht mehr tun, da diese Ausnahme ersatzlos gestrichen werden soll (s.o.).
Insbesondere aber soll die 20-Anteile Ausnahme so erheblich geändert werden, dass sie für eine nicht unerhebliche Anzahl von Venture Capital-Finanzierungen nicht mehr genutzt werden kann:
Werden im Rahmen einer Venture Capital-Finanzierungsrunde tatsächlich maximal 20 Personen als potenzielle Investoren überhaupt angesprochen, kann diese Ausnahme auch zukünftig genutzt werden. Von dieser neuen, deutlich verschlankten 20-Anteile Ausnahme, dürften zukünftig nur Start-ups profitieren können, die zielgerichtet potenzielle Investoren ansprechen, von denen sie mehr oder weniger sicher wissen, dass diese investieren werden.
Will sich ein Start-up innerhalb der neuen 20-Anteile Ausnahme bewegen, kann dies eine enorme Planungsunsicherheit bedeuten. Sollten sich von den 20 angesprochenen potenziellen Investoren – wider Erwarten – z.B. nur vier für ein Investment entscheiden, dürfen grds. keine weiteren Personen als potenzielle Investoren angesprochen werden, da die Grenze der Ausnahmenorm bereits erreicht ist. Es droht also eine Unterfinanzierung des Start-ups.
Da nach den aktuellen Vorgaben Start-ups idR von einer Ausnahme von einer Prospektpflicht profitieren konnten, stellte sich die Abgrenzungsfrage, ob es sich um ein öffentliches Angebot handelt, bislang grds. nicht. Diese Frage dürfte allerdings mit den geplanten Änderungen erheblich an Relevanz gewinnen.
Angesichts der nun geplanten Änderungen können Start-up abseits der verbleibenden Möglichkeiten (Begrenzung Investorenkreis auf institutionelle Investoren, Mindestinvestitionssumme in Höhe von EUR 200.000 oder Ansprache von maximal 20 Personen als Investoren), der Prospektpflicht zukünftig nur entgehen, wenn entweder kein Angebot vorliegt oder dieses nicht öffentlich unterbreitet wird.
Eine konkrete Begriffsbestimmung des öffentlichen Angebots in Bezug auf Venture Capital-Finanzierungen (oder auch Investitionen durch Business Angels) hat sich – wohl auch angesichts der bislang fehlenden Praxisrelevanz – noch nicht entwickelt. Als Anhaltspunkt dürfte hier das Folgende gelten:
Als Angebot gilt eine Mitteilung in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Finanzinstrumente oder Vermögensanlagen enthält, um einen Investor in die Lage zu versetzen, über den Kauf oder die Zeichnung der angebotenen Wertpapiere zu entscheiden.
Venture Capital-Finanzierungsrunden
Bei Venture Capital-Finanzierungsrunden dürfte entscheidender Faktor sein, ob Angebotsreife vorliegt, was aus der Perspektive eines verständigen Investors zu beurteilen ist.
So gilt z.B. allgemeine Kommunikation zur Weckung von Aufmerksamkeit bei Investoren grundsätzlich nicht als Angebot.
In Anlehnung an den Vertrieb von Fondsanteilen lässt sich argumentieren, dass keine Angebotsreife vorliegt, wenn vermeintliche Angebotsunterlagen noch wesentliche zu verhandelnde Lücken aufweisen und die lückenhaften Unterlagen deutlich als Entwurf und/oder Muster erkennbar sind. Gegen eine Angebotsreife dürfte dann auch sprechen, wenn mit potenziellen Investoren aufwändige und teils individuelle Konditionen ausgehandelt werden. Allerdings soll es hier nicht ausreichend sein, wenn z.B. bewusst kein Erwerbspreis genannt wird, sich dieser aber auch anderen Informationen – etwa einer mitgeteilten Unternehmensbewertung – ergibt.
Für eine Teilnahme eines Start-ups zB an einem Elevator-Pitch-Event heißt dies, dass die Pitches als eine Art Roadshow oder ähnliche Werbe- und Informationsveranstaltungen aufgezogen werden müssen, die lediglich auf ein zukünftiges Angebot hinweisen und den Markt bereiten. Positiv dürfte hier ein ausdrücklicher Hinweis auf eine fehlende konkrete Investitionsmöglichkeit zu bewerten sein.
Um ein Angebot nicht öffentlich zu unterbreiten, darf es sich nicht an das Publikum richten, also an jeden denkbaren Adressatenkreis ungeachtet dessen, ob und wie viele Personen letztendlich auf das Angebot eingehen. Nicht öffentlich sind insbesondere Angebote, die sich ausschließlich an Personen richten, die dem Anbieter bereits bekannt sind (etwa aus bestehender Geschäftsbeziehung) oder die er nach individuellen Kriterien ausgewählt hat und gezielt anspricht.
Venture Capital-Finanzierungsrunden
Dies kann in Konstellationen gegeben sein, in denen potenzielle Investoren und Start-ups in einem privaten Rahmen zusammenkommen, da hier ein sehr begrenzter Adressatenkreis involviert ist. Voraussetzung ist, dass zwischen dem Start-up und den potenziellen Investoren bereits eine persönliche Beziehung besteht. Haben Start-ups also bereits potenzielle Investoren in ihrem Netzwerk, ist eine Finanzierung prospektfrei möglich, wenn diese gezielt angesprochen werden. Wichtig ist aber, dass diese persönliche Beziehung nicht erst durch das Angebot hergestellt werden darf.
Anders dürfte es hingegen bei der Teilnahme eines Start-ups an einem Elevator-Pitch-Event sein. Hier dürfte das Merkmal „öffentlich“ kaum vermeidbar sein, da Pitch-Events in aller Regel frei zugänglich sind bzw. Tickets von jedermann erworben werden können. Es findet gerade keine zielgerichtete Ansprache, sondern eine möglichst breit gefächerte Ansprache von potenziellen Investoren statt, ohne dass die Start-ups die Investoren zuvor bestimmen oder überhaupt sämtlich namentlich kennen.
Ähnliches gilt für jedes Angebot und jede Bewerbung in den Online-Medien und/oder Printmedien. Eine Ansprache der Öffentlichkeit kann hingegen bei Ansprachen über das Internet fehlen, wenn die Ansprache in einem zugangsgeschützten Bereich erfolgt, für den aber nicht jegliche Personen ohne Weiteres, sondern nur einzelne, sorgfältig ausgewählte Personen die Zugangsdaten erhalten.
Grds. nicht erfasst sind allerdings Fälle, in denen der Investoren sich in Eigeninitiative an das Start-up wendet.
Die geplante Änderung durch den RefE AnlVerG dürfte zu einer deutlichen Ausweitung der Prospektpflicht führen. Infolge der Verschärfung der bisher bestehenden Ausnahmen im VermAnlG könnten uU einige Venture Capital-Finanzierungsrunden von Start-ups von einer Prospektpflicht erfasst sein.
Zwar gibt es verbleibende Möglichkeiten Venture Capital-Finanzierungsrunden abseits einer aufwendigen Prospektpflicht durchzuführen. Diese wären aber teils erheblichen Rechtsunsicherheiten ausgesetzt. Venture Capital-Finanzierungsrunden müssten stets so ausgestaltet werden, dass kein öffentliches Angebot i.S.d. VermAnlG vorliegt, ohne dass es hier klare Vorgaben gibt, wann dies tatsächlich der Fall ist. Demgegenüber sorgen die aktuell noch existierenden Ausnahmevorschriften dafür, dass es auf diese komplexe und im Einzelfall schwer zu beantwortenden Rechtsfrage, ob ein öffentliches Angebot i.S.d. VermAnlG vorliegt, nicht ankommt.
Die mit den geplanten Veränderungen einhergehende Rechtsunsicherheit und erhöhte Komplexität bei der Ausgestaltung von Venture-Capital Finanzierungsrunden sollte daher nicht zuletzt mit Blick auf die ohnehin bestehenden Finanzierungsschwierigkeiten von Start-ups in Deutschland vermieden werden, um hier nicht noch einem weiteren Wettbewerbsnachteil für Deutschland als Gründungsstandort zu schaffen.