Zugangsansprüche gegenüber Erstausrüstern mobiler Geräte und Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste unter der neuen Zahlungsdiensteregulierung? Was der Digital Markets Act mit dem neuen Payment Package zu tun hat


Die europäischen Institutionen schreiten immer weiter voran in der Regulierung digitaler Märkte. Anfang Mai 2023 ist die Verordnung über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor (Digital Markets Act, DMA) in Kraft getreten. Dort werden sog. „Torwächtern“ von herausragenden digitalen Plattformdiensten besondere Pflichten auferlegt (sog. zentrale Plattformdienste). Danach erhalten Marktteilnehmer u.a. vereinfachte Zugangsansprüche und Ansprüche auf Interoperabilität. Nach den neuen Plänen des Unionsgesetzgebers soll es nun auch im Bereich der Zahlungsdienste besondere Zugangsansprüche geben.

Die am 23. April 2024 veröffentliche legislative Entschließung des Europäischen Parlaments mit verschiedenen Änderungsvorschlägen zum Kommissionsentwurf einer Zahlungsdiensteverordnung („PSR-Entwurf“) enthält in Art. 88a einen Anspruch auf Zugang für Front-End-Dienste zu mobilen Endgeräten und entsprechender Software. Dieser Anspruch besteht ausdrücklich neben Zugangsansprüchen nach Art. 6 Abs. 7 DMA. Zusätzlich sind auch für Zahlungsdienste noch weitere Zugangsansprüche denkbar.

Vorgeschlagener Zugangsanspruch nach Art. 88a PSR-Entwurf

Verpflichteter des Zugangsanspruchs nach Art. 88a Abs. 1 PSR-Entwurf sind (i) der Erstausrüster mobiler Geräte und (ii) der Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste im Sinne der Richtlinie über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Art. 2 Nr. 1 Richtlinie (EU) 2018/1972). Der Begriff „Erstausrüster“ wird im PSR- Entwurf nicht definiert. Allerdings verwendet der Entwurf auch die Formulierung „Originalhersteller mobiler Geräte“ als Synonym, was die Bedeutung hinreichend umschreibt. Die Nennung dieser beiden Verpflichteten zeigt, dass die Vorschrift im Kern auf einen umfassenden Anspruch auf Zugang zu allen erforderlichen Hardware- und Softwarekomponenten abzielt. Der PSR- Entwurf hat hierbei aber vor allem die Nahfeldkommunikation und die sicheren Elemente von mobilen Geräten im Blick.

Als Begünstigte nennt der PSR-Entwurf die Anbieter von Front-End- Diensten. Auch der Begriff „Front-End- Dienste“ wird im PSR- Entwurf nicht definiert. Dieser ist allerdings im Entwurf der Verordnung zum Digitalen Euro definiert als „alle Komponenten, die für die Bereitstellung von Diensten für die Nutzer des digitalen Euro erforderlich sind und über definierte Schnittstellen mit Back-End-Lösungen und anderen Front-End-Diensten interagieren“. Übertragen auf den generellen Zahlungsverkehr dürfte der Verordnungsgeber damit Anwendungen für den Zahlungsdienstenutzer meinen, also das, was der Nutzer bei Durchführung seines Zahlungsvorgangs auf dem mobilen Gerät sieht. Damit dürften wohl Apps gemeint sein, in denen Bankkarten bzw. Bankkonten digital hinterlegt werden können. Gegebenenfalls meint es auch Apps, die die Möglichkeit von Inapp-Käufen bieten und bei denen die Zahlungsabwicklung auf eine andere als die vom Erstausrüster des mobilen Geräts vorgegebene Weise erfolgen soll. Der Wortlaut schließt es auch nicht von vornherein aus, dass damit Anwendungen mit Bezahlvorgängen auf einem anderen Gerät umfasst sind, die mit dem mobilen Gerät des Erstausrüsters kommunizieren, zB. Wearables.

Gegenstand des Zugangsanspruch ist die Ermöglichung (i) einer wirksamen Interoperabilität mit den technischen Funktionen, die für die Speicherung und Übertragung von Daten zur Abwicklung von Zahlungsvorgängen erforderlich sind, und (ii) des Zugangs zu diesen Funktionen für die Zwecke der Interoperabilität. Dies zeigt, dass der Anspruch Anbietern von Front-End- Diensten drei Dinge ermöglichen will: Zugang zu den erforderlichen Daten, Zugang zu den Funktionen der Hard- bzw. Software selbst und die Zusammenarbeit zwischen Hardware sowie eigener und dritter Software.

Als Konditionen des Zugangsanspruchs nennt der PSR-Entwurf faire, angemessene und nichtdiskriminierende Bedingungen. Solche sog. FRAND-Konditionen (fair, reasonable, and non-discriminatory) kennen wir bereits aus dem Patent- und Kartellrecht für den Zugang zu standard-essentiellen Patenten. Die hierzu ergangene Rechtsprechung und Behördenpraxis könnte daher zur Auslegung herangezogen werden.

Art. 88a Abs. 2 PSR-Entwurf beschränkt den Zugangsanspruch, soweit dies zum Schutz der Integrität der Hard- und Software unerlässlich ist. Art. 88a Abs. 3 PSR-Entwurf schreibt vor, dass die Verpflichteten die Konditionen, zu denen sie Zugang gewähren, veröffentlichen müssen.

Verhältnis zu Zugangsansprüchen nach dem DMA

Art. 88a Abs. 1 PSR-Entwurf sieht ausdrücklich vor, dass Zugangsansprüche nach Art. 6 Abs. 7 DMA parallel geltend gemacht werden können, sofern ihre jeweiligen Voraussetzungen vorliegen. Der Zugangsanspruch des Art. 6 Abs. 7 DMA weicht allerdings insbesondere hinsichtlich des Verpflichteten, der Konditionen und des Gegenstands erheblich von dem Anspruch des Art. 88a Abs. 1 PSR-Entwurf ab. Die nach dem PSR-Entwurf begünstigen „Front-End- Dienste“ dürften Teil von den „Diensteanbietern und Anbietern von Hardware“ und „gewerblichen Nutzern und alternativen Anbietern von Diensten, die zusammen mit zentralen Plattformdiensten oder zu deren Unterstützung erbracht werden“ sein, denen ein Anspruch nach Art. 6 Abs. 7 DMA zusteht.

Ein Anspruch nach Art. 6 Abs. 7 DMA kann nur gegen ein Unternehmen geltend gemacht werden, das als Torwächter eines Betriebssystems oder virtuellen Assistenten als zentraler Plattformdienst zuvor von der Europäischen Kommission benannt wurde. Derzeit betrifft dies ausschließlich Google Android von Alphabet, Apples iOS und iPadOS und Microsofts Windows PC. Insoweit ist dieser Anspruch deutlich enger als der Anspruch des PSR-Entwurfs. Die zahlreichen übrigen Erstausrüster mobiler Endgeräte und Anbieter von Zahlungsdienstsoftware, gegen die sich ein Anspruch nach Art. 88a Abs. 1 PSR-Entwurf richten könnte, sind hiervon daher nicht erfasst.

Der Zugang nach Art. 6 Abs. 7 DMA muss durch die Torwächter kostenlos gewährt werden. Insoweit sind die Konditionen des Anspruchs nach Art. 6 Abs. 7 DMA daher deutlich vorteilhafter für den Begünstigten.

Gegenstand des Anspruchs nach Art. 6 Abs. 7 DMA ist ebenfalls die Ermöglichung wirksamer Interoperabilität und des Zugangs zu Hard- und Software für Zwecke der Interoperabilität. Neben einigen weiteren Abweichungen im Detail setzt dieser Anspruch aber zusätzlich voraus, dass der Torwächter die Funktionen des Betriebssystems, der Hard- und der Software, zu dem bzw. der Zugang begehrt wird, selbst für die Erbringung seiner Dienste und/oder Hardware nutzt. Art. 88a Abs. 1 PSR-Entwurf dürfte dagegen auch einen Anspruch gewähren, wenn zB. der Erstausrüster eines mobilen Geräts selbst keine Zahlungsdienste anbietet.

Weitere mögliche Zugangsansprüche

Der deutsche Gesetzgeber hatte bereits vor einigen Jahren einen vergleichbaren Zugangsanspruch explizit für Zahlungsdienstleister und E-Geld-Emittenten in § 58a ZAG eingeführt (sog. „Lex Apple Pay“). Der Anwendungsbereich dieser nationalen Norm deckt sich zu großen Teilen, wenn nicht sogar vollständig, mit dem Anspruch nach Art. 88a Abs. 1 PSR-Entwurf. In den Erwägungsgründen 4, 142 und 143 des Entwurfs führt der Verordnungsgeber aus, dass Zweck der Verordnung die Harmonisierung der Vorschriften über die Ausübung der Zahlungsdienstetätigkeit sind, um die Auslegungsspielräume so gering wie möglich zu halten. Insoweit dürfte § 58a ZAG von Art. 88a Abs. 1 PSR-Entwurf verdrängt werden und wenn überhaupt noch einen sehr begrenzten Anwendungsbereich haben.

Daneben können auch Art. 102 AEUV und §§ 18, 19 GWB in Verbindung mit der sog. „essential facilities dictrin“ Zugangsansprüche zu Hard- und Software gewähren. Allerdings erfordert dies zusätzlich eine missbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung des Erstausrüsters bzw. Anbieters elektronischer Dienste und die besonderen Voraussetzungen zur Qualifikation der Hard- und Software als „essential facility“.

Darüber hinaus sieht § 19a Abs. 2 GWB vor, dass das Bundeskartellamt (BKartA) einem Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb auf Netzwerk-Märkten bestimmte Praktiken wie die Erschwerung der Interoperabilität und Datenportabilität verbieten kann. Voraussetzung für eigene Zugangsansprüche einzelner Unternehmen ist aber erstens die rechtskräftige Entscheidung des BKartA über die überragende marktübergreifende Bedeutung eines Unternehmens und zweitens die rechtskräftige Verbotsentscheidung des BKartA bezüglich der fraglichen Praktik dieses Unternehmens. Derzeit sind noch keine für Zahlungsdienste relevante rechtskräftige Verbotsentscheidungen ergangen. Ansprüche auf Datenzugang können sich auch aus § 20 Abs. 1a GWB und den Vorschriften des Data Acts ergeben. Auch hier sind allerdings zusätzliche Voraussetzungen zu erfüllen.


Folgen für die Praxis

Der PSR-Entwurf enthält einen weiteren Zugangsanspruch zu Hardware, Software und Daten, der aufgrund der geringeren Anzahl an zusätzlichen Voraussetzungen vorteilhafter und weniger komplex für Anspruchsinhaber als die weiteren Anspruchsgrundlagen sein könnte. Allerdings könnten auch die weiteren Anspruchsgrundlagen, insbesondere der kostenlose Anspruch nach Art. 6 Abs. 7 DMA Vorteile bieten. Jedenfalls könnten sie einen Anspruch nach dem PSR-Entwurf ergänzen. Anbieter von Front-End- Diensten im Payments-Bereich müssen hier also sorgfältig abwägen, welche Ansprüche sie verfolgen. Hier ist eine umsichtige Beratung nötig, die die Branchenspezifika und die kartellrechtlichen und spezialgesetzlichen Besonderheiten ausreichend berücksichtigt.