BaFin auf Nachhaltigkeitskurs: Sustainable Finance Strategie


Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) hebt in ihrer Sustainable Finance Strategie vom 5. Juli 2023 die herausgehobene Bedeutung von Nachhaltigkeitsaspekten für Akteure des Finanzmarktes hervor. Sie zeigt ihre Rolle als zuständige Aufsichtsbehörde in der nachhaltigen Finanzmarktregulierung auf und setzt Handlungsschwerpunkte, um der dynamischen Entwicklung gerecht zu werden. In Umsetzung dieser Strategie veröffentlicht die BaFin keine Woche später zudem eine aktualisierte Fassung ihrer Fragen und Antworten zur Offenlegungsverordnung nebst ausführlichen Ausfüllhinweisen für die ESG-Templates für vorvertragliche Informationen. Am 11. Juli 2023 hat dann auch noch die Europäische Wertpapier- und Aufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority - „ESMA“) erklärt, wie sie sich ESG-Angaben in Prospekten für Nichtdividendenwerte, insbesondere Green Bonds, und Aktien, vorstellt. Die Erklärung der ESMA hat die BaFin tags darauf begrüßt.

Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungssektor werden durch europäische Bestrebungen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environment, Social und Governance ESG“) immer mehr in die Verantwortung genommen, ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunft zu leisten. Zwar besteht für Finanzmarktteilnehmer (noch) keine unmittelbare „Pflicht zur Nachhaltigkeit“. Im Rahmen der Verordnung (EU) 2019/2088 Sustainable Finance Disclosure Regulation „OffenlegungsVO“) sind diese jedoch verpflichtet, Anleger:innen einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren. So müssen Finanzmarktteilnehmer Angaben zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken und nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren machen und Informationen zu mit Finanzprodukten konkret verfolgten Nachhaltigkeitszielen offenlegen.

Nach Überzeugung der Europäischen Union haben sich Anlegerpräferenzen zugunsten nachhaltiger Investitionen entwickelt. Durch die Offenlegung nachhaltiger Informationen soll ein Beitrag zur Erreichung der Umweltziele geleistet werden, indem fundierte, da besser vergleichbare, Anlageentscheidungen ermöglicht und hierdurch Gelder in Richtung eines grünen Kapitalmarktes umgelenkt werden. Insofern besteht jedenfalls ein konkreter Ansporn für nachhaltiges Wirtschaften. Um das Vertrauen der Anleger:innen in einen funktionierenden Markt zu erhalten, müssen die offengelegten Informationen das Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens redlich und widerspruchsfrei widerspiegeln (zur Vermeidung des sog. Greenwashings).

Den ambitionierten Nachhaltigkeitszielen der EU (vor allem Netto-Null Treibhausgasemissionen bis 2050) folgt auch eine entsprechend ambitionierte nachhaltige Regulierungsdichte, die (Finanzdienstleistungs-)Unternehmen mitunter vor Herausforderungen stellt. Auch wenn die Offenlegungsverordnung unmittelbar nur Informationspflichten regelt, so ergeben sich dadurch mittelbar auch organisatorische und infrastrukturelle Anforderungen an die Finanzmarktteilnehmer. Es lässt sich ganz einfach herunterbrechen: Wer darlegen muss, wie er mit Nachhaltigkeitsrisiken umgeht und wie er Nachhaltigkeitsaspekte in seinen Investitionsprozessen berücksichtigt, muss auch entsprechende Prozesse implementiert haben.

Für deutsche Finanzmarktteilnehmer ist die BaFin die zuständige Aufsichtsbehörde für die Umsetzung und Einhaltung der OffenlegungsVO. Die Veröffentlichung einer Sustainable Finance Strategie dient daher nicht zuletzt beaufsichtigten Unternehmen dazu, die von der BaFin eingenommene Position nachzuvollziehen und das Ausmaß der diese Unternehmen treffenden Verpflichtungen zu ermitteln.

Rolle und Position der BaFin

Einleitend verdeutlicht die BaFin, dass das Ziel der Umlenkung von Kapitalflüssen in nachhaltige Investitionen nur in einem stabilen Finanzsystem erreicht werden könne und dass es Aufgabe der BaFin sei, für ein solches Sorge zu tragen. Maßgeblich sei hierfür nicht zuletzt ein transparenter Fluss von Nachhaltigkeitsinformationen an Anleger:innen.

Nachhaltigkeit sei, so die BaFin, im Sinne von ESG-Aspekten zu verstehen, und spricht damit erneut die Elemente Umwelt, Soziales und Unternehmensführung an. Ein klarer Fokus aufsichtlicher Praxis liegt derzeit auf Umwelt-, insbesondere klimabezogenen Aspekten.

Sie stellt klar, dass sie selbst weder umwelt-, sozial- oder wirtschaftspolitischen Ziele verfolgt noch eigene Bewertungskriterien für die ESG-Wirksamkeit von Unternehmensstrategien festlegt. Dies sei Aufgabe von Politik und Gesetzgebung, wobei die BaFin im Rahmen der Auslegung, Weiterentwicklung und Implementierung neuer aufsichtsrechtlicher Vorgaben eine unterstützende und vermittelnde Rolle einnimmt. Sie steht für einen Wissensaustausch zwischen Stakeholdern und Entscheidungsträgern und tauscht sich auch bilateral mit nationalen Aufsichtsbehörden über den Umgang mit europäischen Nachhaltigkeitsregularien aus.

Risikomanagement und Nachhaltigkeitsrisiken

Einen besonderen Fokus legt die Sustainable Finance Strategie der BaFin auf Nachhaltigkeitsrisiken und deren Umsetzbarkeit in Risikomanagementstrategien beaufsichtigter Unternehmen. Nachhaltigkeitsrisiken beschreiben negative Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf den Wert der Investition bzw. die Rendite.

Die BaFin stellt erneut klar, dass Nachhaltigkeitsrisiken ihrem Verständnis nach keine eigenständige Risikokategorie bilden. In ihrem Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken aus dem Jahr 2019 stellte sie bereits fest, dass sich Nachhaltigkeitsrisiken als Querschnittsthema auf unterschiedlichsten Ebenen äußern können. Dies führt dazu, dass sich Nachhaltigkeitsrisiken daher letztlich in die bereits bekannten Risikoarten – Kredit-, Markt-, Liquiditäts-, operationelle inkl. Haftungs- bzw. Reputationsrisiken, versicherungstechnische Risiken und strategische Risiken -einreihen.

Die Implementierung auf Nachhaltigkeitsaspekte spezialisierter Risikomanagementsysteme steht derzeit – jedenfalls nach Aussage zahlreicher Marktteilnehmer – vor einer Herausforderung: Es gibt keine hinreichende Datenlage betreffend potenzielle Nachhaltigkeitsrisiken und deren Einbeziehung bei Investitionsentscheidungen sowie deren Auswirkungen auf die Rendite von Finanzprodukten. Die BaFin ist allerdings der Ansicht, dass sich durch die am 1. Januar 2023 in Kraft getretene Corporate Sustainability Reporting Directive („CSRD“) sowie diese konkretisierende European Sustainability Reporting Standards („ESRS“) eine sukzessive Verbesserung der verfügbaren Daten einstellen wird.

Eine funktionierende Aufsichtspraxis, so die BaFin, benötigt klare Vorgaben und Informationen in Richtung aller Interessenträger – was durch die Sustainable Finance Strategie erreicht werden soll.

In diesem Zusammenhang ist begrüßenswert, dass ca. eine Woche vor Veröffentlichung der Sustainable Finance Strategie (am 29. Juni 2023) die siebte Auflage ihrer Mindestanforderungen an das Risikomanagement („MaRisk“) in Kraft getreten ist – allerdings halten sich die Neuerungen in Grenzen: In der Aktualisierung der MaRisk wurde an verschiedenen Stellen die Bedeutung von Nachhaltigkeitsaspekten im Risikomanagement von Kreditinstituten zwar hervorgehoben. Allerdings finden sich (noch) keine konkreten Handlungsanweisungen etwa zur Steuerung von Transitions- und physischen Risiken.

Fragen und Antworten zu Vorlagen der OffenlegungsRTS

Am 11. Juli 2023 veröffentlichte die BaFin zudem die aktualisierte Fassung ihrer Fragen und Antworten zur OffenlegungsVO. Die nunmehr hinzugefügte Frage 6 beschäftigt sich mit den Technischen Regulierungsstandards (Regulatory Technical Standards, RTS) zur OffenlegungsVO („OffenlegungsRTS“).

Zur Erinnerung: Die OffenlegungsRTS konkretisieren die Transparenzanforderungen aus der OffenlegungsVO. Beispielsweise wird für Internetseiten, auf denen Offenlegungen zu erfolgen haben, eine klare Struktur vorgegeben und sogar zu verwendende Textbausteine zur Verfügung gestellt. Besonders relevant für die Erfüllung von Offenlegungspflichten sind indes die Anhänge zu den OffenlegungsRTS. Diese enthalten u.a. Mustervorlagen, die für Offenlegungen nach Art. 8 OffenlegungsVO (Bewerben ökologischer/sozialer Merkmale) sowie Art. 9 OffenlegungsVO (Anstreben nachhaltiger Investitionen) („SFDR Disclosure Templates“) zu verwenden sind.

Die BaFin greift in ihren aktualisierten Fragen und Antworten einen Punkt auf, der die Praxis bereits seit der Verpflichtung der Verwendung der SFDR Disclosure Templates beschäftigt: Die Frage, ob Finanzmarktteilnehmer bestimmte Abschnitte, Fragen oder Erklärungskästchen der SFDR Disclosure Templates, die sie für ihr Finanzprodukt als nicht relevant erachten, entfernen dürfen. Sie verweist in ihrer Antwort darauf, dass die SFDR Disclosure Templates anhand der dortigen roten Ausfüllhinweise auszufüllen sind. Nur, wenn diese es ausdrücklich gestatten, können einzelne Teile entfernt werden.

Es ist auch ansonsten nicht gestattet, Reihenfolge, Position und Gestaltung von Informationskästchen und Grafiken abzuändern – was nachvollziehbar ist: Die durch die Offenlegungsverordnung vorgeschriebenen und durch die SFDR Disclosure Templates standardisierten Informationen sollen Anleger:innen eine vergleichbare Informationsgrundlage für eine Anlage bieten. In diesem Kontext erwähnt die BaFin tatsächlich, dass gerade ein vermehrter Gebrauch der Farbe Grün bereits geeignet sein könnte, Anleger:innen hinsichtlich des Nachhaltigkeitsprofils des jeweiligen Produkts zu täuschen (Greenwashing).

Die Beantwortung der Frage , wann und wie Finanzmarktteilnehmer die SFDR Disclosure Templates modifizieren dürfen, hat die BaFin außerdem – und endlich! – zum Anlass genommen, Ausfüllhinweise für die SFDR Disclosure Templates bereitzustellen. Diese sind erfreulicherweise detaillierter als die Bearbeiterhinweise in den SFDR Disclosure Templates selbst. In einem Musteranhang vergibt die BaFin laufende Nummern zu den jeweils offenzulegenden Informationen. Auf diese bezieht sie sich sodann in tabellarischer Form und führt den Anwender Schritt für Schritt durch die einzelnen Positionen der SFDR Disclosure Templates. Finanzmarktteilnehmer erhalten auf diese Weise eine übersichtliche Darstellung dessen, was sie offenlegen sollen. Und dies bereits an der richtigen Stelle.

Die Ausfüllhinweise der BaFin gibt es bisher nur für Offenlegungen in vorvertraglichen Informationen – diese prospektiven Offenlegungen bereiten den Finanzmarktakteuren auch die größten Schwierigkeiten. Ob Ausfüllhinweise auch für die Vorlagen zur regelmäßigen Berichterstattung folgen, wird sich zeigen.

In ihrer Erklärung vom 11. Juli 2023 lässt ESMA vor allem durchblicken, dass – oh Wunder! – nachhaltigkeitsbezogene Angaben solche sind, die gem. Art. 6 der Verordnung (EU) 2017/1129 („ProspektVO“) für den Anleger wesentlich sind. Gleichzeitig erinnert ESMA an die Objektivität von ESG-bezogenen Angaben. Insoweit fordert sie, dass diese Angaben jeweils im Zusammenhang mit den zugrundeliegenden Daten, Annahmen und/oder Analysen von Drittanbietern erfolgen sowie positive und negative Aspekte darstellen sollten. Neben weiteren Vorgaben teilt die ESMA mit, dass sie in den Prospekten Angaben zu den key performance indicators, den sustainability performance targets und deren Konsistenz mit der Nachhaltigkeitsstrategie des Emittenten erwartet.

Die BaFin begrüßt die Erklärung der ESMA, sodass zu erwarten ist, dass sie deren Inhalt bei der Prüfung von Wertpapierprospekten – wohl aber auch entsprechend bei anderen Finanzprodukten –  umfassend berücksichtigen wird.

Diesen Sommer hat sich die BaFin ausgiebig mit europäischer Nachhaltigkeitsregulierung befasst. Die dieser zugrundeliegende Problematik fehlender Informationen und noch teilweise undurchsichtiger Regulierung hebt die BaFin in ihrer Sustainable Finance Strategie deutlich hervor und verspricht, für mehr Transparenz und Verständnis zu sorgen. Sie erkennt, dass der Dialog Schlüssel ist, um der hohen Dynamik, dem breiten Themenspektrum und der enormen Detailtiefe nachhaltiger Finanzmarktregulierung Herr zu werden. Mit ausführlichen Ausfüllhinweisen als Anhang zu ihren aktualisierten Fragen und Antworten geht sie insoweit einen – wie wir finden – gelungenen und begrüßenswerten Schritt.