Nach ewigem Hin-und-Her wurde am 5. Oktober 2022 eine vorläufige Einigung über die Verordnung über Märkte für Kryptowerte Markets in Crypto-assets Regulation – „MiCAR“) erzielt und das förmliche Annahmeverfahren begann. Nachdem die finale Fassung der MiCAR ursprünglich für Februar 2023 angedacht war, soll es nun zu weiteren Verzögerungen kommen. Aufgrund der 18-monatigen Übergangsfrist greifen die Regelungen der MiCAR voraussichtlich Ende 2024. Also Abwarten und Tee trinken? Nein, potenzielle Adressaten der MiCAR sollten sich bereits jetzt mit der voraussichtlich auf sie zukommenden Erlaubnispflicht auseinandersetzen.
Wen also trifft die Erlaubnispflicht? Gibt es Vereinfachungen? Gibt es Ausnahmen? Ein Überblick:
MiCAR wird relevant, wenn Kryptowerte im Spiel sind. Kryptowerte iSd MiCAR sind eine
“[…] digitale Darstellung eines Werts oder eines Rechts, die unter Verwendung der Distributed-Ledger-Technologie oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden können.“
(Convenience-Übersetzung, da offizielle deutsche Übersetzung noch nicht vorliegt)
Unterschieden werden drei Arten von Kryptowerten:
Die Zitierungen der MiCAR in diesem Beitrag beziehen sich auf den Final Compromise vom 5. Oktober 2022.
ART sind ein
„[…] Kryptowert, der kein E-Geld-Token ist und vorgibt, einen stabilen Wert zu haben, indem er sich auf irgendeinen anderen Wert oder ein Recht oder eine Kombination aus diesen, einschließlich einer oder mehrerer offizieller Währungen, bezieht.“
Hiervon sollen insbesondere sog. Stablecoins – wie zB Tether oder DAI – erfasst werden.
Ein EMT ist ein
„[…] Kryptowert, der vorgibt, einen stabilen Wert zu haben, in dem er auf eine offizielle Währung referenziert“
In Abgrenzung zu ART dürfen EMT ausschließlich eine Fiatwährung und nicht mehrere Fiatwährungen, ein oder mehrere andere Assets (zB Rohstoff) oder eine Kombination (basket) aus Fiatwährung(en) und anderen Assets abbilden.
Bei EMT dürfte es allerdings nicht unerhebliche Abgrenzungsfragen zum E-Geld iSd E-Geld-Richtlinie bzw. des deutschen ZAG geben.
Utility Token sind ein
„[…] Kryptowert, der lediglich dazu dient, Zugang zu einer Ware oder Dienstleistung zu erhalten, die vom Herausgeber der Token angeboten werden“
Sie sind (weitgehend) vom Anwendungsbereich der MiCAR ausgenommen, wenn ein Bezug zu bereits existierenden Waren oder Dienstleistungen besteht.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob bzw. welche Arten von Non-fungible Token („NFTs“) in den Anwendungsbereich der MiCAR fallen können. Insoweit dürfte es letztendlich entscheidend darauf ankommen, ob es sich bei den NFTs tatsächlich um einzigartige und nicht mit anderen Kryptowerten austauschbare Token oder um Serien von NFTs (sog. Fractional NFTs) handelt. Im letzteren Fall können NFTs – je nach Detail-Ausgestaltung – entweder Finanzinstrumente iSd MiFID II oder Kryptowerte iSd MiCAR darstellen.
Bezüglich der Erlaubnispflicht unterscheidet die MiCAR zwischen dem Primärmarkt (Emittenten bei der Ausgabe von Kryptowerten) und dem Sekundärmarkt (Krypto-Dienstleister bei dem Erbringen von Krypto-Dienstleistungen) sowie zwischen verschiedenen Arten von Kryptowerten.
Eine Erlaubnispflicht besteht nur für Emittenten von ART. Für Emittenten von EMT besteht zwar keine gesonderte Erlaubnispflicht nach MiCAR, sie müssen aber eine Erlaubnis als Kredit- oder E-Geld-Institut haben und zusätzlich die MiCAR-Pflichten, wie die Pflicht zur Erstellung eines Whitepapers, beachten. Eine Besonderheit bei ART ist, dass diese nur von der Emittentin selbst in Verkehr gebracht werden dürfen – nicht durch andere Personen.
Die MiCAR sieht insgesamt folgende zehn Krypto-Dienstleistungen vor:
Sofern eine oder mehrere der vorgenannten Krypto-Dienstleistungen erbracht werden, löst dies grds. eine Erlaubnispflicht nach der MiCAR aus.
Emittenten müssen grundsätzlich ihren Sitz in der EU haben, um eine MiCAR-Erlaubnis beantragen zu können. Der Antrag ist bei der jeweils zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde zu stellen – bei einem Emittenten mit Sitz in Deutschland also die BaFin, mit Sitz in Luxemburg die CSSF usw.
Ein Erlaubnisantrag für die Emission von ART muss insbesondere Folgendes enthalten:
Auch wenn Einzelheiten hierzu noch durch technische Regulierungsstandards festgelegt werden, ist bereits jetzt klar, dass eine MiCAR-Erlaubnis nicht easy-going ist, sondern praktisch einer auf MiFID II basierenden Erlaubnis entspricht.
Im Rahmen des Erlaubnisantrages ist zudem ein White Paper über die zu emittierenden ART bei der zuständigen Behörde einzureichen und von dieser zu billigen.
Die Anforderungen an eine MiCAR-Erlaubnis für Krypto-Dienstleistungen sind im Grundsatz ähnlich wie jene für die Erlaubnis zur Emission von ART. Hinzu kommt hier vor allem die Beschreibung der Maßnahmen und Prozesse für die Erfüllung geldwäscherechtlicher Pflichten.
Außerdem muss der Erlaubnisantrag je nach Art der Krypto-Dienstleistung spezifische Vorgangs- und Verfahrens-Beschreibungen enthalten.
Die MiCAR sieht sowohl für Emittenten als auch für Krypto-Dienstleister Ausnahmen vor.
Emittenten von ART brauchen insbesondere in folgenden Fällen keine Erlaubnis:
Unternehmen einer MiFID-Erlaubnis brauchen für die Erbringung von Krypto-Dienstleistungen keine extra MiCAR-Erlaubnis. Vielmehr können diese Unternehmen ihre Dienstleistungen, die sich auf Finanzinstrumente (MiFID II) beziehen, schlichtweg auf Kryptowerte iSd MiCAR ausweiten.
Bei Verwahrung und Verwaltung von Kryptowerten für Dritte funktioniert dies allerdings nicht, weil hierfür kein europäisches Pendant, etwa aufgrund der MiFID II, existiert.
Als eher allgemeinere Ausnahme sieht die MiCAR zudem eine Art reverse solicitation vor: Keiner Erlaubnis bedarf ein Unternehmen, welches Krypto-Dienstleistungen gegenüber einem in der EU ansässigen Kunden erbringt, der ausschließlich auf eigene Initiative auf das Unternehmen zugegangen ist, um dessen Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.
Für Krypto-Dienstleister, die bereits in ihrem Heimatstaat über eine nationale Erlaubnis für eine Tätigkeit verfügen, die eine Krypto-Dienstleistung iSd MiCAR darstellen würde, sieht die MiCAR ein vereinfachtes Erlaubnisverfahren vor. Sofern sie ihren Antrag innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten der MiCAR stellen, sollen die nationalen Aufsichtsbehörden lediglich prüfen, ob der jeweilige Krypto-Dienstleister die allgemeinen Pflichten und die Pflichten in Bezug auf die Erbringung der Krypto-Dienstleistungen erfüllt
Im Großen und Ganzen bietet das Erlaubnisregime der MiCAR einen klaren, rein krypto-spezifischen Rahmen. Einige, insbesondere bereits über eine MiFID II-Erlaubnis verfügende Unternehmen, können grds. ihre bestehende Erlaubnis weiter nutzen.
Durch ihren Charakter als Verordnung und damit bindenden Charakter in allen Mitgliedsstaaten dürfte die MiCAR einen wichtigen Schritt in Richtung europäischer Harmonisierung der Kryptoregulierung darstellen; sie schafft einheitliche Regeln.
Der Gesetzgebungsprozess der MiCAR hat bereits zahlreiche Fragen aufgeworfen, von denen noch nicht alle beantwortet sind. Auch hier ist insoweit eine Findungsphase mit Unsicherheiten vorprogrammiert. Insoweit mag es eine Idee für potenzielle Adressaten der MiCAR sein, jetzt „noch schnell“ eine MiFID II-basierte Erlaubnis zu beantragen. Hier haben die Aufsichtsbehörden schon mehr Übung und die Erlaubnis kann dann – jedenfalls für Krypto-Dienstleistungen – auch für MiCAR-Tatbestände genutzt werden.