ESGmeralda oder sustainaBilly? Manchmal ist es schwierig, einen passenden Namen zu finden – und nicht alles ist erlaubt. Bei (vermeintlich) nachhaltigen Investmentfonds scheint der Markt hingegen wenig Schwierigkeiten zu haben, „grüne“ Namen zu finden. Gleichzeitig taucht das Wort Greenwashing immer häufiger auf. Wo liegen nun die Grenzen? Wie darf ein Finanzprodukt heißen? U.a. mit diesen Fragen hat sich die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde („ESMA“) in einem aktuellen Konsultationspapier auseinandergesetzt.
Bereits am 31. Mai 2022 veröffentlichte die ESMA ein Supervisory Briefing zu Nachhaltigkeitsrisiken und Offenlegung im Investitionsmanagement. Hierdurch sollte die Vereinheitlichung aufsichtsrechtlicher Praxis in den Mitgliedsstaaten und die Vermeidung von Greenwashing erreicht werden. Aufbauend auf das Supervisory Briefing eröffnete die ESMA nun am 16. November 2022 ein Konsultationsverfahren, das sich mit geplanten Guidelines zu Fondsnamen, die ESG-/Taxonomiekonformität oder in sonstiger Weise Nachhaltigkeit suggerieren, beschäftigt.
ESMA beschreibt ihre Bedenken wie folgt:
“This increasing demand without the effective application of existing criteria for sustainability such as the EU Taxonomy, has led to concerns in ESMA. Sustainability disclosures may give rise to risk of “greenwashing” and this is particularly relevant if funds are named as green or socially sustainable, when sufficient sustainability standards commensurate with that name have not been met.”
Vor dem Hintergrund der in der OGAW-Richtlinie und AIFM-Richtlinie verankerten Pflicht der Kapitalverwaltungsgesellschaften, ihrer Tätigkeit ehrlich, mit der gebotenen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit und redlich nachzugehen, und im Übrigen der Vorgabe, dass Marketing-Informationen zu Investmentfonds stets fair, eindeutig und nicht irreführend sein müssen, hat die ESMA den Entwurf eines Leitfadens für Fondsbezeichnungen zur Konsultation gestellt. Der Leitfaden soll – das hebt ESMA ausdrücklich hervor – nicht bei Einordnung eines Finanzproduktes unter die Vorgaben der Offenlegungs-Verordnung und/oder der Taxonomie-Verordnung helfen; es soll allein um die Konformität mit den Vorgaben der OGAW-Richtlinie, AIFM-Richtlinie sowie der Grenzüberschreitende Vertriebs-Verordnung gehen.
Einen ähnlichen Ansatz hatte die BaFin, die bereits im August 2021 die Konsultation zu einer Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen einleitete („BaFin-Richtlinie“). Inhalt der BaFin-Richtlinie sind u.a. die Anforderungen an Investmentfonds, deren Namen einen Nachhaltigkeitsbezug aufweist – beispielhaft nennt die BaFin hier Namensbestandteile wie „ESG“, „nachhaltig/sustainable“ oder „grün/green“. Auch wenn die BaFin die Finalisierung der BaFin-Richtlinie zunächst zurückgestellt hat, wendet sie deren Grundsätze bereits ausdrücklich an: Vereinfacht gesagt, müssen Investmentfonds, die eine Nachhaltigkeit suggerieren, entweder eine nachhaltige Anlagestrategie verfolgen oder mindestens 75 % ihres Investitionskapitals in nachhaltige Vermögensgegenstände investieren. Weitergehende Erläuterungen bleibt die BaFin-Richtlinie schuldig. Das Konsultationspapier der ESMA könnte den Prozess um die Veröffentlichung einer BaFin-Richtlinie wiederbeleben, zumal die Zurückstellung „vor dem Hintergrund der dynamischen regulatorischen, energie- und geopolitischen Lage” erfolgte.
Anders als die BaFin-Richtline ist der Entwurf der ESMA allerdings nicht auf Publikumsfonds begrenzt – Adressaten der Leitlinien sollen sämtliche Kapitalverwaltungsgesellschaften sein.
Mit dem vorgestellten Entwurf ihres Leitfadens verfolgt die ESMA das Ziel, eine einfache Handhabe der Fondsnamensgebung zu ermöglichen und einen Beitrag zur Vereinheitlichung zu leisten. Die zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden sind ausdrücklich dazu angehalten, ihre aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen entsprechend anzupassen und zu melden. Getreu dem comply-or-explain-Grundsatz muss eine Nicht-Umsetzung begründet werden.
Das Papier richtet sich neben den zuständigen nationalen Behörden an Kapitalverwaltungsgesellschaften, private und professionelle Investoren sowie die Fondsgesellschaften selbst. Stellungnahmen können bis zum 20. Februar 2023 eingereicht werden (hier). Der Branche wird somit die Chance gegeben, Einfluss auf den finalen Inhalt der Guidelines zu nehmen, die voraussichtlich im zweiten oder dritten Quartal 2023 veröffentlicht werden.
Der Name eines Fonds soll aus Gründen der Fairness und Eindeutigkeit mit seinen Anlagezielen und -strategie übereinstimmen, die in der Fondsdokumentation festgelegt sind. Hierdurch könne der Irreführung der Anleger in der Marketingkommunikation entgegengewirkt und die Ehrlichkeit der Fondsverwalter sichergestellt werden. Möchte ein Fonds den Begriff ESG oder andere nachhaltigkeitsbezogene (sustainability-related) Begriffe im Namen tragen, muss dieser künftig nach der Vorstellung der ESMA bestimmte Schwellenwerte in Bezug auf seine Investment-Allokation erreichen.
Nachhaltige Investmentfonds bzw. deren Kapitalverwaltungsgesellschaften sind bereits jetzt verpflichtet, z.B. in vorvertraglichen Informationen offenzulegen, wie die geförderten sozialen oder ökologischen Merkmale bzw. die nachhaltigen Anlageziele erreicht werden. Zunehmend geschieht dies unter Verwendung EU-einheitlicher Templates, welche ab 2023 verbindlich zu verwenden sind. Die Templates sehen insbesondere eine Offenlegung dahingehend vor, welcher Anteil der Assets eines Fonds zur Erreichung der geförderten Merkmale bzw. nachhaltigen Anlagestrategie verwendet wird.
Die in den Templates vorgesehene Offenlegung bildet den Anknüpfungspunkt der ESMA:
Fonds, die Nachhaltigkeit leben und hinter ihrem Konzept stehen, dürften mit diesen Vorgaben keine Probleme bekommen.
Der Leitfaden soll drei Monate nach Veröffentlichung seiner Übersetzungen in die Amtssprachen der Mitgliedsstaaten auf der ESMA-Website in Kraft treten. Praktiker sollten die Frist zur Stellungnahme bis zum 20. Februar 2023 ausnutzen, um noch bestehende offene Fragen in den Fokus der ESMA zu bringen.
Es wird u.a. zu klären sein, welchen konkreten Einfluss die „übrigen 20 %“ der Investitionen auf die nachhaltige Namensgebung haben werden. Der Vorschlag der ESMA, bei Vorliegen von Ausschlusskriterien, dem Fonds in der Gesamtschau die entsprechende Namensgebung zu verwehren, bedarf der Konkretisierung.