Als die finalen Kompromissvorschläge der Markets in Crypto Assets Regulation („MiCAR“) für die Abstimmung im zuständigen Ausschuss für Wirtschaft und Währung (Economic and Monetary Affairs Committee – „ECON“) vergangene Woche veröffentlicht wurden, traf es den Krypto-Markt wie ein Schlag: der neue Entwurf sieht ab dem 1. Januar 2025 ein Verbot für Kryptodienstleistungen im Zusammenhang mit der Nutzung von ökologisch nicht nachhaltigen Konsensmechanismen wie Proof of Work („PoW“) vor – also auch für den Handel mit Bitcoin oder Ether. Wird Bitcoin in Europa nun verboten?
MiCAR ist bereits lange Zankapfel zwischen EU-Kommission, Parlament und dem Markt. Insbesondere viele Unklarheiten bei den so wichtigen Definitionen führten dazu, dass MiCAR länger auf sich warten lässt. Nun sollte es am 28. Februar 2022 endlich zur finalen Abstimmung im ECON-Ausschuss kommen. Doch die von MEP Stefan Berger sicher geglaubte Mehrheit hatte sich Insiderinfos zufolge aufgelöst. So kam es Anfang dieser Woche nicht zur finalen Abstimmung über die finalen Kompromissvorschläge, sondern zu einem neuen Kompromissvorschlag. Dieser sieht nun von einem PoW-Verbot ab. Insbesondere Österreich soll sehr stark gegen den Entwurf gearbeitet haben, wohl vorrangig aufgrund des geplanten Verbots von PoW. Dieses Verbot war zuvor von Vertretern der SPD, den Grünen und der Linken unterstützt worden.
Kern der umstrittenen Regelung ist ein Verbot ab 2025 zur Erbringung von Kryptodienstleistungen im Zusammenhang mit ökologisch nicht nachhaltigen Konsensmechanismen, sofern sie nicht im kleinen Rahmen betrieben wird (siehe Art. 61 Abs. 9c iVm. Art. 3 Abs. 6c iVm. Art. 2a MiCAR-Entwurf („MiCAR-E“). Dabei sind nach Art. 3 Abs. 6c MiCAR-E ökologisch nicht nachhaltige Konsensmechanismen Mechanismen, bei deren Betrieb in großem Maßstab erheblich schädliche Umweltauswirkungen entstehen und die der Erreichung der Klimaziele des Pariser Abkommens im Wege stehen. Dies betrifft explizit Konsensmechanismen, die auf PoW beruhen.
Bei PoW wird Teilnehmern für die Lösung von komplexen und rechenintensiven kryptografischen Aufgaben eine Belohnung in der jeweiligen Kryptowährung ausgezahlt. Die Lösung der Aufgabe wird in der Blockchain durch Generierung eines neuen Blocks markiert („Mining“) und durch Abgleich mit den restlichen Daten der Blockchain bewiesen, dass die Transaktion fehlerfrei durchgeführt wurde. Häufig werden Rechner- bzw. Grafikkartenkapazitäten in Mining-Pools zusammengezogen, um die aufwendigen Berechnungen stemmen zu können Viele bekannte Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum oder Litecoin nutzen PoW.
Problematisch an PoW ist vor allem, dass das Mining zeit- und kostenintensiv ist. So verbraucht der Betrieb der Bitcoin-Blockchain pro Jahr mehr Strom als der gesamte Libanon. Laut Experten liegt der Stromverbrauch bei 130 Terawattstunden pro Jahr, das sind etwa 0,08% des weltweiten Energieverbrauchs. Bei PoW können außerdem Informationen der Blockchain infiltriert werden, wenn die absolute Mehrheit der Mining-Anbieter in einem Mining-Pool zusammenkommt. Dies ist zwar aktuell nicht zu befürchten, da die Mining-Anbieter über die gesamte Welt verstreut sind, sollte jedoch eine staatliche Großmacht in das Mining-Geschäft einsteigen, so wäre diese Infiltration möglich.
Ethereum allerdings plant den Umstieg auf einen anderen Konsensmechanismus, den Proof-of-stake-Konsensmechanismus („PoS“) schon länger (der Umzug soll bis Frühjahr/Sommer 2022 vollzogen werden). Anders als bei PoW wird bei PoS der Kryptowert nicht durch komplexe Rechenaufgaben geschaffen. Vereinfacht gesagt werden stattdessen kleine Anteile des Kryptowerts in einer Wallet vorgehalten (Staking) und durch den Vorgang entsperrt. Damit validiert jeder teilnehmende User die Transaktionen, die über die Blockchain abgewickelt werden. Im Gegenzug für die Validierung erhält jeder User einen Betrag für seine gehaltene Menge an Kryptowerten. Die bekannten Kryptowährungen Avalanche und Solana beruhen auf PoS.
Adressaten des Verbots wären Kryptodienstleister, die Kryptodienstleistungen im Zusammenhang mit diesen nicht nachhaltigen Kryptowerten anbieten, also beispielsweise den Handel oder die Verwahrung von Bitcoin. Da Kryptowerte, die auf PoW beruhen, keine Emittenten haben, können diese nicht Adressaten sein.
Für das Verbot spricht vor allem, dass PoW energieintensiv und daher als eher umweltschädliches Verfahren zur Erzeugung von Kryptowerten gilt. Durch die Energiewende gibt es generell schon Lücken in der Stromversorgung europäischer Staaten, die durch ein Verbot von PoW geschlossen oder zumindest verringert werden sollen. Weiterhin muss die Hardware der Mining-Pools alle 1-2 Jahre ausgetauscht werden, wodurch wohl 30.000 bis 65.000 Tonnen Elektroschrott pro Jahr entstehen sollen. Es sind außerdem modernere, weniger energieintensive Konsensmechanismen verfügbar, die weniger umweltschädlich sind. Schließlich gibt es bereits andere Länder wie China, Tunesien, Ägypten, Algerien oder den Irak, die PoW bereits verboten haben. Die EU wäre somit nicht alleine.
Gegen ein Verbot spricht allerdings die Tatsache, dass dieses technologiefeindlich wäre und wohl zu einer Abwanderung ins Ausland führen würde, was wiederum dem europäischen Krypto und Fintech-Markt erheblich schaden würde. Durch das Verbot könnte sich die EU selbst im Wettbewerb mit anderen Märkten stark benachteiligen und den geopolitischen Zugang zu Bitcoin verlieren. Dies dürfte bei einer Marktdominanz allein des Bitcoins von ca. 40% höchst problematisch sein.
Außerdem besteht bereits ein Bewusstsein für das Problem im Markt: Die Hälfte der Miner nutzt bereits erneuerbare Energien und Fintechs schaffen Initiativen zum Ausgleich des CO2-Ausstoßes. Außerdem bleibt unklar, was genau “in großem Maßstab betrieben” bzw. “in kleinem Maßstab betrieben” bedeuten soll. Diese unklaren Definitionen wurden von Experten und dem Markt selbst während des gesamten Prozesses der MiCAR kritisiert. Unklare Definitionen erschweren die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Regulierung und untergraben daher das Ziel der MiCAR, eine vollständige und harmonisierte Regulierung für Kryptowerte in der Union zu schaffen.
Anstelle eines Verbots von Krypto-Assets, die auf PoW basieren, könnte der europäische Gesetzgeber Maßnahmen ergreifen, um die Krypto-Industrie nachhaltiger zu machen. Zum Beispiel könnte eine Verpflichtung zur Registrierung und Meldung des Energieverbrauchs für Miner, wie sie der Iran erfolgreich eingeführt hat, eine ebenso wirksame, aber weniger einschneidende Lösung sein. Auch eine Verpflichtung zum CO2-Ausgleich durch Investitionen in nachhaltige Projekte oder der Kauf von CO2-Zertifikaten ist denkbar. Schließlich könnte auch eine Verpflichtung zur Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien für den Betrieb eines Mining-Pools eingeführt werden.
Es bleibt abzuwarten, wie die Diskussion um dieses späte und hochpolitische Thema im Spannungsfeld zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit ausgeht, denn auch wenn es nun nach einer überraschenden Kehrtwende in Bezug das PoW-Verbot aussieht, kann das Ergebnis noch nicht vorhergesehen werden Die entscheidende ECON-Sitzung ist bereits aufgrund des Diskussionsbedarfs auf den 14. März 2022 verschoben.
Wir bleiben dran!