Kryptowertetransfers im deutschen AML-Fadenkreuz


Am 1. Oktober 2021 traten mit der Verordnung über verstärkte Sorgfaltspflichten bei dem Transfer von Kryptowerten (Kryptowertetransferverordnung – „KryptoTransferV“) neue AML-Vorgaben für Kryptowertetransfers in Kraft - der deutsche Gesetzgeber prescht (wieder einmal) voran, wenn es um Anti-Geldwäsche im Kryptobereich geht.

Das BMF um den scheidenden Finanzminister Olaf Scholz hat damit kurz vor der Bundestagswahl ein Provisorium mit nicht bekannter Geltungsdauer geschaffen, welches zwar ein edles Ziel verfolgt, jedoch nicht zu Ende gedacht ist. Mit Erlass der KryptoTransferV ist das BMF der Empfehlung der Financial Action Task Force („FATF“), dem wichtigsten internationalen Gremium im Kampf gegen Geldwäsche, und dessen sog. „Travel Rule“ gefolgt. Die „Travel Rule“ ist eine Auslegungshilfe der FATF, nach der Informationen bei Transaktionen mit Virtual Assets (= Kryptowerten) über Sender und Empfänger erfasst werden sollen, sodass sie bei Bedarf den Anti-Geldwäsche-Behörden weitergeleitet werden können.

Ziel der KryptoTransferV ist die Reduktion von Anonymität bei Kryptotransfers zur Verhinderung von Geldwäsche/Terrorismusfinanzierung – dem Grunde nach ein nachvollziehbares und teilbares Ziel. Denn Kriminelle nutzen mittlerweile sog. Mixer- bzw. Tumbler-Tools, mit deren Hilfe Kryptowerte aus verschiedenen Quellen vermischt und so die Herkunft verschleiert werden kann – und das unter Pseudonym.

Die Halbwertszeit dürfte sehr kurz sein – auf EU-Ebene wird bereits an der Umsetzung der Travel Rule in EU-Recht gearbeitet. Deutschland wollte aber augenscheinlich darauf nicht warten.

Inhalte der Verordnung

Wer ist betroffen?

Die KryptoTransferV richtet sich an Banken, Finanzdienstleistungsinstitute, aber z.B. auch Walletbetreiber (die mittlerweile regulierte Kryptoverwahrung erbringen) in Deutschland, die Kryptowerte für Kunden verwalten („Verpflichtete“) und Transfers von Kryptowerten, die über Kryptobörsen (= Kryptowertedienstleister) abgewickelt werden, anstoßen oder entgegennehmen.
Was ist neu?

Verpflichteten wird auferlegt, sowohl bei Transaktionen zwischen zwei Kryptowertedienstleistern als auch insbesondere bei Transaktionen zwischen einem Kryptowertedienstleister und einem Transaktionsbeteiligten ohne Dienstleister (sog. „Unhosted Wallet“) persönliche Angaben wie Namen oder Anschrift über Auftraggeber und Empfänger zu erheben, zu speichern. Die persönlichen Angaben sind auf Verlangen der BaFin zu übermitteln. Ist dies den Verpflichteten (noch) nicht möglich, müssen sie dies der BaFin anzeigen und bis Jahresende begründen, um eine „Galgenfrist“ von 12 Monaten zu erhalten, in der sie die Hindernisse beseitigen müssen. Bis spätestens Ende 2023 müssen die Hindernisse bei der Identifizierung der Beteiligten bei Kryptotransfers abgestellt sein.

Was bedeutet das?

Bereits bei Transaktionen zwischen zwei Kryptowertedienstleistern, z.B. Kryptoverwahrern, stellen sich technische Schwierigkeiten beim Austausch von persönlichen Angaben von Auftraggeber und Empfänger. Ein technischer Datentransferstandard samt Schnittstelle existiert bisher nicht. Die Umsetzbarkeit der Vorgaben hängt somit von einer noch zu entwickelnden, im Markt akzeptierten Lösung für den Datenaustausch ab.

Zudem berücksichtigt die KryptoTransferV auch keine innovativen Ansätze bei der Rückverfolgbarkeit von Kryptotransfers, wie z.B. blockchainbasierte Analysetools. Diese analysieren – bereits jetzt – Blockchains auf auffällige Transaktionen, werden jedoch vom Verordnungsgeber nicht näher beleuchtet. Weiterhin kann nach aktuellem technischen Stand nicht einwandfrei erkannt werden, ob bei einer Transaktion nun zwei Kryptowertedienstleister oder ein Unhosted Wallet beteiligt sind.
Bei Transaktionen mit einer Unhosted Wallet kommen zudem noch praktische Probleme hinzu, da es hier an einer Geldwäscheidentifizierung des Wallet-Inhabers bzw. überhaupt an einer dahinterstehenden natürlichen Person (z.B. in Fällen von Wallets, die über Smart Contract gesteuert werden) mangeln kann. Banken und Finanzdienstleistungsinstitute können dann ihren Datensammelpflichten schlicht praktisch nicht nachkommen.

Andere „risikoangemessene“ Maßnahmen dürften ebenfalls nicht zur Verfügung stehen. Mögliche Maßnahmen wie die Erstellung einer Micro Transaction von der Zieladresse durch den Transaktions-Auftraggeber oder die Signatur einer Identitätsbeglaubigung durch den Auftraggeber mit dem zur Zieladresse gehörigen privaten Schlüssel scheitern wohl an Kosten oder Praktikabilität. Folge ist, dass deutsche Kryptowertedienstleister in ihrem Geschäft massiv behindert werden können, da ein Transfer von Verpflichteten ggf. schlicht nicht ausgeführt wird – ein Wettbewerbsnachteil, der die Abwanderung von Nutzern in den Graubereich oder das Ausland befördern dürfte.

Hinzu kommt, dass die KryptoTransferV keine Schwellenwerte für Kryptotransfers vorsieht. Damit ist sie noch schärfer als die kürzlich durch das Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz („TraFinG“ – wir berichteten hier) neu geschaffene allgemeine Sorgfaltspflicht bei Transfers von Kryptowerten ab EUR 1.000 außerhalb von Geschäftsbeziehungen.
Eins ist klar – die neuen Verpflichtungen belasten die hiesige Kryptobranche jährlich mit geschätzten Kosten von EUR 421.000 – nicht unerheblich angesichts der bislang noch übersichtlichen Zahl an regulierten Marktteilnehmern.

Ausblick

Mit der KryptoTransferV hat der Verordnungsgeber einen weiteren Schritt gen Regulierung von Kryptowerten gemacht. Hinsichtlich der „risikoangemessenen Maßnahmen“ und nutzbaren technischen Innovationen bleibt die aufsichtsrechtliche Praxis noch abzuwarten. Die KryptoTransferV wird jedoch bei Weitem nicht die letzte Regulierungsmaßnahme gewesen sein, denn Kryptowerte stehen im Fokus von EU wie Mitgliedstaaten sowie deren Behörden. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Travel Rule gerade auch auf europäischer Ebene im Kontext des jüngst veröffentlichten AML-Packages der EU diskutiert wird (siehe unseren Blogbeitrag hier), ist mit weiteren einschneidenden Gesetzen und Verordnungen zu rechnen.
Das deutsche Vorpreschen birgt jedoch – neben den monetären Belastungen – insbesondere die Gefahr von Standortnachteilen und Abwanderung von Kunden. So könnte Deutschland seine Vorreiterrolle in Sachen Blockchain und (maßvoller) Kryptoregulierung aufs Spiel setzen.