Seit ihrer Präsentation im Oktober 2020 zur Einführung eines digitalen Euro treibt die Europäische Zentralbank („EZB“) die Überlegungen voran. Am 12. Januar 2021 endete die Konsultationsfrist der EZB zu den Chancen und Risiken eines digitalen Euro. Ziel der EZB ist, den Menschen in Zeiten eines rasanten digitalen Wandels Zugang zu einer sicheren Geldform zu ermöglichen.
Die Digitalisierung erfasst mittlerweile alle Bereiche unseres Lebens – auch die Art und Weise, wie wir zahlen. Im Oktober 2020 stellte die EZB daher die Idee zur Einführung eines digitalen Euro vor, um der Digitalisierung auch im Rahmen von Zahlungen nachzukommen.
Ein digitaler Euro könnte den Zugang zu einem allgemein akzeptierten, sicheren und verlässlichen Zahlungsmittel und zugleich den Übergang der europäischen Wirtschaft ins digitale Zeitalter fördern. Der digitale Euro wäre dabei eine elektronische Form von Zentralbankgeld, das in digitaler Form für den täglichen Zahlungsverkehr bereitgestellt würde. Er könnte – genauso wie Bargeld – sowohl von Privatleuten als auch von Unternehmen genutzt werden, nur eben in digitaler Form.
Digitaler Vorreiter ist China, wo bereits seit geraumer Zeit ein digitaler Yuan getestet wird. Schon bei den Olympischen Winterspielen im kommenden Jahr soll die digitale Währung aus China an den Start gehen. Die Facebook-Kryptowährung Diem, die zuvor unter dem bekannteren Namen Libra firmierte, soll sogar noch in diesem Jahr eingeführt werden. Dies dürfte Europa zuletzt in Zugzwang gebracht haben. Nun gilt es für die EU offenbar, den Rückstand aufzuholen und Pilotprojekte zu starten, um die optimale technische Infrastruktur für einen digitalen Euro zu entwickeln.
Welche Vorteile bringt der digitale Euro?
Bereits heute kennen wir neben dem Bar- und Buchgeld digitale Währungen, wie beispielsweise die Kryptowährungen Bitcoin, Ether und Co. Wenn Menschen zukünftig immer mehr auf digitale Zahlungsmittel aus anderen Ländern zurückgreifen sollten, könnte der digitale Euro eine immer wichtigere Rolle spielen. Eine solche Entwicklung könnte die Finanzstabilität und die Währungshoheit im europäischen Raum untergraben. Darüber hinaus könnte ein digitaler Euro dazu beitragen, die Auswirkungen extremer Ereignisse – wie Naturkatastrophen oder Pandemien – abzufedern, wenn herkömmliche Zahlungsdienste nicht mehr funktionieren.
Insbesondere könnte der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr, der derzeit oft mehrere Tage dauert, binnen Sekunden erfolgen und dies bei geringen Transaktionskosten. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für europäische Unternehmen, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Aus Sicht der Industrie ist der digitale Euro die Grundvoraussetzung für die Industrie 4.0, da sich damit unternehmensübergreifend automatisierte und konditionierte Zahlungen auch von Kleinstbeträgen abwickeln ließen. Für Privatkunden dürfte sich beim Bezahlvorgang an den Kassen zunächst kaum etwas ändern – es kann vermutlich weiterhin mit Karte und Smartphone bezahlt werden. Eine Zukunftsvision zeigt jedoch auf, wie sich die Art der Bezahlung ändern könnte: Fährt ein autonomes E-Auto in einigen Jahren allein an eine Ladesäule, um Strom zu tanken, kann es die gebrauchte Strom-Menge direkt bilateral „bezahlen“.
Keine Abschaffung von Schein und Münze
Mit beiden Geldformen – digitalem wie „analogem“ Euro – zusammen wird das Bezahlen einfacher, da eine weitere Möglichkeit des Bezahlens geschaffen wird. Ein digitaler Euro soll daher lediglich die Auswahl an Zahlungsmitteln vergrößern, nicht aber Schein und Münze abschaffen, wie die EZB dies bei der Vorstellung des Vorhabens Anfang Oktober 2020 bereits versicherte. Danach werde das Eurosystem in jedem Fall weiterhin Bargeld ausgeben. Eine Ausgabe des digitalen Euro könnte dabei ebenfalls über Geschäftsbanken und andere Finanzintermediäre erfolgen, die Erfahrungen im Umgang mit Endkonsumenten haben. Ein digitaler Euro sollte daher für alle zugänglich und zum Beispiel auch für Offline-Zahlungen einsetzbar sein.
Wichtig ist der EZB zudem, dass ein digitaler Euro mit der bestehenden Finanzinfrastruktur kompatibel sein muss und dass er als Ergänzung, nicht aber als Ersatz des bestehenden Finanzsektors zu verstehen ist. Dass ein digitaler Euro unter der Aufsicht einer Zentralbank stünde, hätte gegenüber anderen Kryptowährungen den Vorteil, dass die Stabilität der Währung gesichert sei.
Neben der finanziellen Stabilität sollte die Effizienz des bestehenden Geld- und Zahlungsverkehrs sowie die Souveränität des Euro und die Autonomie der EU-Wirtschaft im Mittelpunkt der EZB stehen.
Der Schwerpunkt sollte zudem auf der Transaktionsanonymität liegen. Heutige AML- und KYC-Mechanismen stellen sicher, dass Banken ihre Kunden kennen, aber nicht wissen, wofür sie ihr Geld ausgeben. Mit einem digitalen Euro könnten sich ähnliche Mechanismen nachbilden lassen.
Konsultationsfrist endete am 12. Januar 2021
Im Rahmen des öffentlichen Konsultationsverfahrens bat die EZB Behörden, Finanzinstitute und die Allgemeinheit um Stellungnahmen. Auf diese Weise sollten die Notwendigkeit, Umsetzbarkeit und die konkrete geschäftliche Motivation für einen digitalen Euro beurteilt werden, ohne damit einer Entscheidung über die Einführung vorzugreifen. Die Konsultationsfrist endete am 12. Januar 2021.
Viele Verbände, darunter der für die Digitalisierung in der Gesellschaft bekannte Verband Bitkom, positionierten sich klar für die Einführung einer solchen digitalen Währung, damit Europa beim Thema digitale Währungen nicht den Anschluss verliert.
Kritiker sehen in den Planungen für ein digitales Zentralbankgeld jedoch große Risiken für das Bankensystem. Ein digitaler Euro könne langfristig das Bargeld verdrängen und den Datenschutz gefährden, weil sich Transaktionen mit einem digitalen Euro – anders als diejenigen mit Bargeld – aufzeichnen und kontrollieren ließen.
Digitaler Euro schon bald in Sicht?
Je nach Ausgestaltung hätte der digitale Euro damit die Möglichkeit, die Wettbewerbsfähigkeit Europas in einer digitalen und globalisierten Welt zu stärken. Wie die Infrastruktur eines digitalen Euro aussehen würde, steht jedoch noch nicht fest. In ihren Arbeitspapieren weist die EZB jedoch darauf hin, dass es die Geschäftsbanken sind, die für den Aufbau dieser Infrastruktur verantwortlich wären.
Wann es den digitalen Euro geben könnte, ist also noch völlig offen. Bis zu einer möglichen Einführung müsste sich das Eurosystem mit einer Reihe von wichtigen rechtlichen Aspekten befassen. Dazu gehören neben der Rechtsgrundlage für die Einführung auch die Rechtsfolgen verschiedener Gestaltungsmerkmale eines digitalen Euro sowie die Anwendbarkeit von EU-Recht auf das Eurosystem als Emittentin.
Es ist damit zu rechnen, dass dies bis etwa 2030 dauern könnte. Ein Blick nach China zeigt, dass es dort acht Jahre bis zur Einführung brauchte. Mit einer Grundsatzentscheidung der EZB, ob das Projekt eines digitalen Euro weiterverfolgt wird, kann jedoch schon Mitte des Jahres gerechnet werden. Wir sind gespannt und werden in jedem Fall weiter berichten!