Doppelschlag – Bundesregierung plant EU-Kryptoinitiative und elektronische Schuldverschreibungen bis Ende nächsten Jahres (und ggf. eher)


12. August 2020

Das Bundesministerium der Finanzen hat in seiner Antwort auf eine kleine Anfrage im Bundestag durchblicken lassen, dass die Bundesregierung im Rahmen der Triopräsidentschaft Deutschlands im Rat der EU (zusammen mit Portugal und Slowenien) vom 1. Juli 2020 bis Ende 2021 besonderes Augenmerk auf die EU-weite Regulierung von Krypto-Assets und Stablecoins legen wird. Zudem bekräftigt es den Plan, bis (spätestens) September 2021 die Begebung von elektronischen Schuldverschreibungen in Deutschland zu ermöglichen – eine doppelte Initiative und Wiederaufgreifen der Pionierstellung im Kryptobereich?

EU-Maßnahmen zu Krypto-Assets und Stablecoins

Bereits Ende 2019 hatten der Rat der EU sowie die EU-Kommission – unter dem Eindruck des von Facebook mitinitiierten, mittlerweile zusammengeschrumpften Libra-Projekts – bekannt gegeben, dass sog. Stablecoins trotz deren Risiken günstige und schnelle grenzüberschreitende Zahlungen ermöglichen. Stablecoins sind Kryptowährungen, die an stabile Assets (zB Fiat-Währungen) geknüpft sind, um Preisschwankungen zu minimieren. Im Mai 2020 wurde dann ein sog. „Non-Paper“ der EU-Kommission (eine Art internes Diskussionspapier für die Mitgliedstaaten) publik, welches den aktuellen Stand der Kommissionsarbeiten und öffentlicher Konsultationen zu Krypto-Assets und Stablecoins wiedergibt und einen Regulierungsvorschlag für das dritte Quartal 2020 angekündigt. Auch während der Triopräsidentschaft Deutschlands, Portugals und Schwedens im Rat der EU wird diesem Thema besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

Die EU-Kommission sieht derzeit drei verschiedene Arten von Krypto-Assets (was Konsens sein dürfte):

  • regulierte Krypto-Assets; insbesondere als „Finanzinstrumente“ unter MiFID II oder „E-Geld“ unter 2. E-Geld-Richtlinie qualifizierende Krypto-Assets (zB Security Tokens)
  • unregulierte Krypto-Assets; insbesondere einige Utility und Payment Tokens
  • Stablecoins

Um EU-weit einheitliche Kriterien festzulegen und einer – bislang laut EU-Kommission festzustellenden – nationalen Zersplitterung entgegenzuwirken, schlägt die EU-Kommission für Security Tokens mehrere Regulierungsoptionen aus dem klassischen Gesetzes-Werkzeugkasten der EU vor:

  • niederschwellige, nicht-gesetzliche Maßnahmen, ob und wie bestehende EU-Gesetzgebung (insb. MiFID II) auf Krypto-Assets und Stablecoins anwendbar ist (zB Guidance der EU-Kommission)
  • gezielte gesetzliche Maßnahmen, die hinderliche Regelungen bei Emission, Handel und Post-Trading-Dienstleistungen von Security Tokens (und Digital Ledger Technologie (DLT)-basierenden Lösungen) abbaut
  • ein Pilot-Regime für zunächst zB drei Jahre für Krypto-Assets in Gestalt von Security Tokens, das eine neue DLT-Marktinfrastruktur kreiert, um Security Tokens zu handeln bzw. zu settlen.

Da die drei Maßnahmen komplementär seien, käme auch eine Kombination aller in Betracht.

Auch bislang auf EU-Ebene unregulierte Utility und Payment Tokens (die teilweise bereits Gegenstand von Gesetzgebungsvorhaben auf nationaler Ebene seien), könnte von einem freiwilligen („Opt-in“) oder verpflichtenden Gesetzesrahmen (ggf. mit EU-Passport) profitieren, wobei die EU-Kommission klar Option 2 präferiert.

Stablecoins seien derzeit nicht reguliert und benötigten daher dedizierte Regulierung. Die EU-Kommission favorisiert (neben der Ausweitung der 2. E-Geld-Richtlinie) die Anwendung von verschiedenen gesetzlichen Maßnahmen wie Veröffentlichungspflichten von Stablecoin-Emittenten und Anforderungen an die hinterlegten Assets.

Ansicht der Bundesregierung

Die Bundesregierung tendiert eher zu verpflichtenden Regulierungsregimen (anstatt Opt-in-Lösungen, siehe hier) für Krypto-Assets, um einen einheitlichen europäischen Binnenmarkt zu schaffen und weitere Fragmentierung zu vermeiden. Dabei solle zum einen Wert auf Rechtssicherheit und nötige Flexibilität für technologische Innovationen gelegt und zum anderen Regulierungsarbitrage zwischen Finanzinstrumenten (unter MiFID II) und Krypto-Assets (und deren Aufsichtsregime) vermieden werden. Die derzeitige Ratspräsidentschaft der EU durch Deutschland könnte ggf. auch Anlass sein, ihre (vorsichtige) Kritik an den Auswüchsen von MiFID II und PRIIPs-Verordnung bei Anlegerschutz und Sekundärmarktregelungen auch bei der Kryptoinitiative einfließen zu lassen.

Bei Stablecoins tendiert die Bundesregierung – anders als die EU-Kommission – klar in Richtung Erweiterung der 2. E-Geld-Richtlinie um Stablecoins (soweit diese nicht ohnehin bereits als E-Geld qualifizieren), da E-Geld und Stablecoins vergleichbare ökonomische Funktionen hätten. Die Erfassung als E-Geld würde zudem die währungspolitische Souveränität der Eurozone und der Mitgliedstaaten sichern. Daneben sollten ergänzende Regelungen sicherstellen, dass den Besonderheiten von Stablecoin-Systemen und ihrer globalen Verwendung Rechnung getragen wird.

Beschleunigung der Kryptoinitiative auch auf nationalem Level

Auch national nimmt die Kryptoinitiative als Teil der „Blockchain-Strategie“ der Bundesregierung wieder Fahrt auf. Diese hatte zuletzt deutlich an Geschwindigkeit eingebüßt (wir berichteten hier). Die Bundesregierung bekräftigt ihre Absicht, elektronische Inhaberschuldverschreibungen, also Wertpapiere auf Fremdkapitalbasis, bis zum Ende der Legislatur zu ermöglichen, sprich bis dahin die gesetzlichen Weichenstellungen abgeschlossen zu haben (und die kritischen zivilrechtlichen Punkte von rein elektronischen Wertpapieren (Übertragung, Gutglaubensschutz, etc.) endlich zu überwinden). Eingedenk der Sommerpause 2021 und des einsetzenden Wahlkampfs Anfang 2021 dürfte daher ggf. sogar noch in diesem Jahr mit der Verabschiedung durch den Bundestag zu rechnen sein.

Die Bundesregierung macht damit – zuvörderst – sich selbst mächtig Druck. An mehreren Krypto-Fronten möchte sie gleichzeitig angreifen:

  • (regulierte wie unregulierte) Krypto-Assets sollen EU-weit (ggf. im Rahmen eines Pilot-Regimes) und angemessen reguliert werden
  • Stablecoins könnten der E-Geld-Regulierung unterfallen
  • elektronische Inhaberschuldverschreibungen könnten bis Ende 2020 / Anfang 2021 in Deutschland möglich sein

Es bleibt abzuwarten, ob bzw. welche Initiativen tatsächlich umgesetzt werden. Wir werden dran bleiben.