Hemmschuh der Krypto-Assets – warum der Kapitalmarkt noch immer auf seine Revolution wartet


30. Juli 2020

Krypto-Assets, Tokenisierung von Vermögensgegenständen, Asset-backed Token, Token-Ökonomie, blokchainbasierter Handel von Vermögenswerten – auch sieben Jahre nach dem weltweit ersten ICO sind Krypto-Assets, Token und Co. („Krypto-Assets“) noch immer in aller Munde. Nur: richtig etablieren konnten sich Krypto-Assets auf den hiesigen Finanzmärkten bislang nicht. Woran liegt das? Was wird getan, um dem wohl unumgänglichen Siegeszug der Krypto-Assets (endlich) den Weg zu ebnen?

Von Beginn an wurde die Blockchaintechnologie als die Zukunftstechnologie gepriesen und eine Revolution des Finanzmarkts durch die Token-Ökonomie vorausgesagt. Hoffnung machte sich breit, als dann die Bundesregierung vor gut einem Jahr ihre Blockchain-Strategie veröffentlichte und sich einen ehrgeizigen Leitspruch auf die Fahne schrieb: „Wir stellen die Weichen für die Token-Ökonomie“.

Allerdings wurde aus Hoffnung schnell Ernüchterung, denn passiert ist seither (fast) nichts. Einziges Lebenszeichen der lautstark angekündigten Blockchain-Strategie bestand bislang in der über die Hintertür einer umzusetzenden AML-Richtlinie eingeführten Regulierung des „Kryptoverwahrgeschäftes“ als neuer Finanzdienstleistung und der gleichzeitigen Einführung von „Kryptowerten“ (= Krypto-Assets) als neue Finanzinstrumente, die jedoch aufgrund ihrer unausgewogenen Wirkung leider nicht gerade als gelungenster Start in die Krypto-Regulierungsoffensive bezeichnet werden kann (wir berichten hier).

Aber wo drückt denn nun eigentlich der Schuh? Wenn die Blockchaintechnologie tatsächlich die Zukunftstechnologie ist, dann müsste der Kapitalmarkt doch eigentlich von Investitionsmöglichkeiten in Token überquellen. Die Realität sieht allerdings anders aus. Die zahlreichen rechtlichen Regelungslücken und Ungewissheiten nehmen auf zahlreichen Ebenen erheblich Geschwindigkeit aus dem kommenden Erfolgsmodell der „Token-Ökonomie“ – sie sind sogar Grund für deren Ausbleiben.

Tokenisierung

Ähnlich wie Wertpapiere sind Krypto-Assets lediglich ein (digitales) Abbild von Vermögenswerten, welche an ihrer Stelle gehandelt werden können (ähnlich die neue Definition in § 1 Abs. 11 S. 4 KWG). Im Gegensatz zu Wertpapieren (in ihrer ursprünglichen Form) sind Krypto-Assets jedoch nicht auf einem Stück Papier verkörpert, sondern existieren rein virtuell als digitaler „Eintrag“ auf einer Blockchain. Tokenisierung beschreibt dabei den Prozess der digitalen Abbildung eines realen Vermögensgegenstandes als Krypto-Asset.

Je nach Art des abgebildeten Vermögensgegenstandes werden die digitalen Abbildungen als Security Token (wertpapierähnliche Token, die das abbilden, was auch klassische Wertpapiere abbilden, wie etwa Anteile an Unternehmen oder Darlehensforderungen), Utility Token (digitale Gutscheine für Waren oder Dienstleistungen), Currency Token (Zahlungsmittel) oder Stablecoin (vereinfacht: Currency Token mit hinterlegtem Asset) bezeichnet.

Vorteile

Ziel ist es, wie beim Handel mit Wertpapieren, eine möglichst einfache und unkomplizierte Handelbarkeit der hinter den Krypto-Assets stehenden Vermögenspositionen zu ermöglichen. Token können hierbei eine Vielzahl verschiedenster Vermögenswerte, wie etwa Anteile an Unternehmen – gleich welcher Rechtsform – oder gar Rohstoffe wie Erdöl und Edelmetalle verkörpern.

Besonderer Fokus lag in jüngerer Vergangenheit auf der Ermöglichung eines einfachen Handels von Vermögenswerten, die sich eigentlich durch ihre Illiquidität auszeichnen: Immobilien. Allerdings erfolgte eine Tokenisierung hier bisher nur mittelbar, indem Unternehmensanteile eines Unternehmens tokenisiert wurden, welches wiederum die Immobilien hält. Dies dürfte unter anderem dem (ungelösten) rechtlichen Rahmen geschuldet sein, der bisher wohl das größte Hindernis für eine Etablierung von Krypto-Assets auf dem Kapitalmarkt darstellt.

Rechtlicher Rahmen

Nach wie vor bestehen noch zahlreiche (rechtliche) Fragen im Hinblick auf den Handel mit tokenisierten Vermögenswerten.

Bewertung und Bilanzierung

Große Unwägbarkeiten bestehen etwa hinsichtlich der Bewertung- und Bilanzierung von Krypto-Assets. Großinvestoren wie Fonds und Versicherungen haben sich an (zwingende) Bewertungs- und Bilanzierungsvorgaben zu halten. Allerdings ist vor dem Hintergrund der vielfältigen Erscheinungsformen von Krypto-Assets die Entwicklung einer „pauschalen Anwendungsregel“ nicht möglich, sodass nach wie vor weitestgehend unklar und allenfalls im Einzelfall zu beurteilen ist, wie ein Krypto-Asset bewertet werden kann. Allein aufgrund dieser Rechtsunsicherheit verwundert es nicht weiter, dass insbesondere institutionelle Investoren bislang eher Abstand davon nehmen – jedenfalls im großen Maße – in Krypto-Assets zu investieren.

„Numerus Clausus der Vermögensgegenstände“

Ein weiteres Problem besteht im sogenannten „Numerus Clausus der Vermögensgegenstände“. Dieser legt fest, in welche Art von Vermögensgegenstände Fonds oder zB Versicherungen investieren dürfen. Entspricht ein Krypto-Asset nicht den Vermögensgegenstandsvorgaben, so darf nicht in diese investiert werden.

Dies betrifft vor allem Publikumsfonds, bei denen diese Vorgaben unter anderem dazu beitragen sollen, das Verlustrisiko für private Investoren und Kleinanleger zu minimieren. Eine Ausnahme vom Numerus Clausus wird nur Spezial-Fonds gestattet, in die Privatanleger nicht investieren dürfen. Der Kreis potentieller Investoren ist dadurch nicht unerheblich eingeschränkt. Hier läge es am Gesetzgeber, nicht nur einen Teil des Anwendungsbereichs von Krypto-Assets im KWG zu regulieren, sondern in einem ganzheitlichen Ansatz beispielsweise auch die Besonderheiten von Krypto-Assets im KAGB zu berücksichtigen.

Risikomanagement

Gerade für institutionelle Investoren wie Versicherer, Banken und Fondsmanager spielt die Einhaltung von Vorgaben für ein ordnungsgemäßes Risikomanagement eine entscheidende Bedeutung.

So müssen beispielsweise Versicherer ihre Kapitalanlagen in ausreichendem Maß mit Eigenmitteln unterlegen. Anlagen in Immobilien erfordern dabei eine geringere Unterlegung als Anlagen in Aktien. Werden nun aber Immobilien „tokenisiert“ und in Form von Krypto-Assets handelbar gemacht, müssten auch diese (mittelbaren) Kapitalanlagen in Immobilien wohl gleichsam wie Aktien unterlegt werden.

Investments in Krypto-Assets bieten grundsätzlich zusätzliche Möglichkeiten zur Diversifizierung eines Portfolios. Immobilien wurden bisher häufig deswegen in ein Portfolio aufgenommen, da so in langfristig stabile und damit eher risikoarme Anlagegegenstände investiert werden konnte. Es dürfte aber fraglich sein, ob die mit der „Tokenisierung“ einhergehende steigende Volatilität einer Immobilie dazu führt, dass (vor allem institutionelle) Investoren vermehrt in solche Krypto-Assets investieren.

Entscheidend für eine zutreffende Bewertung der mit einer Anlage in Krypto-Assets einhergehenden Risiken sind zudem rechtliche Fragen, wie etwa eine Pfändbarkeit von Krypto-Assets oder der Behandlung solcher Vermögenswerte im Falle einer Insolvenz.

Zivilrechtliche Aspekte

Nach wie vor ist insbesondere die Frage nach der zivilrechtlichen Übertragbarkeit der Token unbeantwortet.

Derzeit gibt es zahlreiche Ansätze dazu, wie Token übertragen werden können. Diese reichen von der entsprechenden Anwendung der Regelungen zur Übertragung beweglicher Sachen (§§ 929 ff. BGB) über eine entsprechende Anwendung der Regelungen zur Übertragung von Grundstücken (§§ 873, 925 BGB) bis hin zu einer Anwendung der Abtretungsvorschriften (§§ 398 ff. BGB).

Weiter ist unklar, ob alle Token nach denselben Regeln übertragen werden oder zB nach verkörpertem Vermögenswert unterschieden werden soll (etwa bei GmbH-Anteilen oder Immobilien). Eine eindeutige gesetzliche Regelung gibt es nicht. Auch die daraus resultierende Rechtsunsicherheit dürfte sich negativ auf die Bereitschaft vieler Investoren auswirken, in Krypto-Assets zu investieren.

Insbesondere im Hinblick auf Immobilien stellen sich weitere Fragen, etwa danach, ob die Krypto-Assets nur einen schuldrechtlichen Anspruch verkörpern können oder sogar eine Eigentumsposition. Und für die Jura-Cracks: sofern eine Eigentumsposition verkörpert wird, handelt es sich um Gesamthands- oder Bruchteilseigentum? Fragen über Fragen…

Vor diesem Hintergrund scheinen auch die Bemühungen der BaFin zu verpuffen, die durch zahlreiche Veröffentlichungen versucht, ein wenig Licht in das Dunkel der Krypto-Regulierung zu bringen (wir berichteten hier). So mag es in aufsichtsrechtlicher Hinsicht nun ausreichend Konturen geben, die eine halbwegs rechtssichere Einordnung eines Krypto-Assets zB unter den Wertpapierbegriff ermöglicht. Gleichwohl dürfte darin nicht die Wurzel des Problems fehlenden Investitionswillens liegen. Denn was nützt es einem Investor, wenn zwar vorschriftsmäßig ein Prospekt veröffentlicht wurde, aber die Rechte, die durch den Token verkörpert werden sollen, zivilrechtlich nicht wirksam auf ihn übergehen?

Wie komplex die Beantwortung der Frage ist, zeigen unter anderem auch die großen Mühen der Bundesregierung mit einer solchen (zivilrechtlichen) Regelung. Eigentlich wollte man noch bis Ende 2019 einen Gesetzesvorschlag für die Einführung von elektronischen Schuldverschreibungen vorlegen. Dies hätte notwendigerweise auch zivilrechtliche Regelungen mit umfasst. Nachdem allerdings bis heute kein Gesetzesvorschlag veröffentlicht wurde (wir berichteten hier), lautete das Ziel der Bundesregierung zuletzt nur noch, bis zum Ende der Legislaturperiode (also immerhin bis (wohl) Anfang 2021) einen Regelungsvorschlag vorzulegen.

Fazit

Krypto-Assets fristen trotz ihres großen Potentials nach wie vor ein Nischendasein. Grund dafür ist vor allem die weiterhin bestehende Rechtsunsicherheit bei der Behandlung von Token – weniger in aufsichtsrechtlicher, vor allem aber in zivilrechtlicher Hinsicht.

Grundsätzlich zu begrüßen ist, dass der Gesetzgeber das Potential von Krypto-Assets erkannt und sich bereits für eine Regulierung stark gemacht hat. Diese erfolgte allerdings fragmentarisch und betrifft nur Teile des Finanzaufsichtsrechts.

Das grundlegende Problem der zivilrechtlichen Verkörperung der Assets im Token und damit auch deren Übertragbarkeit wurde (wohl aufgrund der  Komplexität) bisher nicht wirklich angegangen. Hier kann mit Spannung der für 2021 angekündigte (und aufgrund Sommerpause und Bundestagswahl) und tatsächlich Anfang 2021 zu erwartende Regulierungsvorschlag für elektronische Wertpapiere erwartet werden. Die bisherige Verzögerung in der Umsetzung der Vorhaben der Bundesregierung vereitelt die dringend benötigte Rechtssicherheit im Umgang mit Krypto-Assets, lässt auf der anderen Seite aber einen ausgereifteren und umfassenden Lösungsansatz erhoffen.