Brexit – Vorbereitungen auf die Zeit nach der Übergangszeit


Am 31. Januar 2020 ist Großbritannien aus der EU ausgetreten, nachdem in letzter Sekunde doch noch ein Austrittsabkommen geschlossen werden konnte. Während einer Übergangszeit bis zum 31. Dezember wird Großbritannien in weiten Teilen so behandelt, als sei es noch immer Mitglied der EU. Finanzdienstleister können im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr aus der EU nach Großbritannien oder von Großbritannien innerhalb der EU auf den gewohnten europäischen Rechtsrahmen zurückgreifen und die Vorteile eines harmonisierten Binnenmarktes nutzen. Was aber passiert danach?

Bereits seit dem 29. März 2017 steht fest, dass Großbritannien die EU verlassen wird. Nach langen Verhandlungen einigte man sich im Rahmen eines Austrittsabkommens schließlich auf einen Austritt Großbritanniens am 31. Januar 2020. Vereinbart wurde im Austrittsabkommen zugleich eine Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020. Während dieser Zeit sollen die Bestimmungen für die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien verhandelt und festgelegt werden. Allerdings konnten bisher keine substanziellen Fortschritte bei den Verhandlungen vermeldet werden.

Bis zum 1. Juli 2020 hätte eine Verlängerung des Übergangszeitraums erfolgen können, die Möglichkeit wurde allerdings nicht genutzt. Daher steht nun fest:

Der Übergangszeitraum wird definitiv am 31. Dezember 2020 enden und Großbritannien dann endgültig zu einem Drittstaat. Je näher nun das Ende des Übergangszeitraums rückt, desto größer wird die Sorge vor allem im Finanzsektor, dass keine Einigung zwischen der EU und Großbritannien erfolgen wird.

Die Rechtslage während der Übergangszeit

Gemäß Austrittsabkommen gilt das Unionsrecht während der Übergangszeit für das Vereinigte Königreich weiter. Spezielle Regelungen im Hinblick auf die grenzüberschreitende Erbringung von Finanzdienstleistungen enthält das Austrittsabkommen nicht.

Da Großbritannien aber im Grunde so behandelt wird, als sei es noch EU-Mitglied, finden nach wie vor die Vorschriften über den grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungsverkehr innerhalb der EU bzw. des EWR Anwendung. So dürfen Unternehmen aus Großbritannien, die Finanzdienstleistungen gem. Anhang I der CRD IV bzw. Anhang I MiFID II (darunter fallen zB Einlagengeschäft, Kreditgeschäft, Finanzierungsleasing; „Finanzdienstleistungen“) erbringen („UK-Finanzdienstleister“), weiterhin den Binnenmarkt nutzen. Aber auch europäische Finanzdienstleister können nach wie vor ihre Finanzdienstleistungen grenzüberschreitend in Großbritannien erbringen, ohne dafür eine weitere Erlaubnis beantragen zu müssen.

Dies beruht insbesondere auf der Möglichkeit zur Nutzung des sog. Europäischen Passes, bei dem die Erlaubnis im Heimatland und eine Anzeige an die Aufsichtsbehörde grds. ausreichen, um im europäischen Ausland Finanzdienstleistungen erbringen zu können. Für Auslagerungen von Tätigkeiten gelten im Vergleich zu Drittstaaten erleichterte Bedingungen. Außerdem können im Hinblick auf den Kapitalmarkt zB Wertpapierprospekte EU-weit verwendet werden und es bestehen erleichterte Vorschriften für den Vertrieb von UK-Fonds in den EWR, verglichen mit den Vorgaben zum Vertrieb von Drittstaatenfonds.

Neben diesen Vorzügen haben UK-Finanzdienstleister während der Übergangszeit aber natürlich auch die Pflichten (zB Meldepflichten) des europäischen Finanzaufsichtsrechts zu erfüllen. Dies stellte die ESMA in einer Stellungnahme zum Austritt Großbritanniens am 31. Januar 2020 noch einmal klar.

Und nach Ablauf des Übergangszeitraums?

Diese Frage ist indessen nicht neu; sie wurde bereits im Vorfeld des Austrittsabkommens breit und heftig diskutiert.

Damals war lange Zeit nicht klar, ob ein Austrittsabkommen geschlossen werden kann. Die nationalen Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden hatten daher bereits einige Maßnahmen ergriffen, um mögliche negative Folgen eines „harten Brexits“ abzufedern. Diese Situation scheint auch aktuell wieder akut zu werden.

Weiterer Übergangszeitraum?

Für Finanzdienstleister hatte der deutsche Gesetzgeber zur Vorsorge für den Fall eines harten Brexits (also ohne jegliches Abkommen) mit § 53b Abs. 12 KWG eine Regelung geschaffen, die es der BaFin ermöglichte, die Regelungen in Bezug auf den Europäischen Pass weiterhin für maximal 21 Monate anzuwenden (wir berichteten hier). Allerdings ist diese Möglichkeit ausdrücklich auf den Fall zugeschnitten, dass Großbritannien die EU ohne Austrittsabkommen verlässt.

Nachdem Großbritannien die EU Ende Januar letztlich aber doch mit Austrittsabkommen verlassen hat, dürfte die Regelung nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut aktuell gegenstandslos sein. Angesichts dieses klar abgegrenzten Anwendungsbereichs dürfte äußerst fraglich sein, ob eine analoge Anwendung für den Fall, dass die EU und Großbritannien keine Regelung der Beziehungen im Finanzdienstleistungsbereich finden können, in Betracht kommt. Es läge wohl eher beim Gesetzgeber, einen (weiteren) Übergangszeitraum für die Zeit nach dem 31. Dezember 2020 festzulegen.

Veröffentlichungen oder aktuelle Stellungnahmen der BaFin zu dieser Frage sind nicht bekannt

Die britische Financial Conduct Authority („FCA“) hat hingegen am 1. Juli 2020 verkündet, das “temporary permissions regime” („TPR“) mit Ablauf des Übergangszeitraums wieder einsetzen zu wollen. Ab dem 30. September 2020 können EWR-Finanzdienstleister und EWR-Fondsmanager, die dies nicht schon in der Vergangenheit getan haben, der FCA ihre Absicht anzeigen, das TPR nutzen zu wollen. Während eines gewissen Zeitraums nach dem Ende des Übergangszeitraums können diese dann aus dem EWR nach UK z.B. weiterhin ihren Europäischen Pass nutzen oder Fonds in Großbritannien wie bisher vertreiben. Hintergrund ist, dass das Großbritannien nach Ablauf des Übergangszeitraums verhindern möchte, dass EWR-Finanzdienstleister nicht mehr in Großbritannien tätig sein können. In dem TPR-Zeitraum können sich EWR-Finanzdienstleister dann um eine Erlaubnis bemühen.

Die FCA trifft also schon Vorbereitungen für die Zeit nach der Übergangszeit.

Rechtslage ohne weiteren Übergangszeitraum

Sollten keine weiteren (nationalen) Übergangszeiträume in Kraft treten und Großbritannien und die EU es nicht schaffen, konkrete Regelungen im Hinblick auf den Finanzdienstleistungssektor zu vereinbaren, findet auf Großbritannien ab dem 1. Januar 2021 das Drittstaatenregime wohl uneingeschränkt Anwendung. In diesem Fall dürften auch die weiterführenden und konkretisierenden Verlautbarungen der (europäischen) Aufsichtsbehörden ESMA, EBA und der BaFin zum Brexit, zB in Bezug auf die Auslagerung von Prozessen auf Drittlandfirmen gelten. Der Europäische Pass kann dann von UK-Finanzdienstleistern, die innerhalb der EU tätig sind oder dies werden wollen, nicht mehr genutzt werden.

Konkret bedeutet dies, dass Zweigstellen von UK-Finanzdienstleistern zur Zweigstelle eines Unternehmens mit Sitz im Ausland werden, d.h. für diese Zweigstellen eine eigene KWG-Erlaubnis zu beantragen ist. Alternativ bestünde die Möglichkeit, ein rechtlich eigenständiges Tochterunternehmen zu gründen und für dieses eine Erlaubnis zu beantragen. Letztere Alternative hätte den Vorteil, dass dieses Tochterinstitut sodann seinerseits als europäischer Finanzdienstleister gilt und in anderen europäischen Ländern wieder den Europäischen Pass nutzen kann. Dies ist für Zweigstellen von ausländischen Unternehmen (zB UK) nicht möglich. Diese Möglichkeiten gelten für Zahlungsdienstleister entsprechend.

Auch UK-Fondsmanager werden mit Ende der Übergangszeit zu ausländischen Fondsmanagern. Diese können ihre Dienstleistungen nicht mehr aufgrund des Europäischen Passes anbieten, sondern müssen sodann eine eigene Erlaubnis beantragen. Gem. § 58 KAGB gelten für diese Erlaubnis zusätzliche Anforderungen gegenüber einer „normalen“ Erlaubnis von inländischen Managern. Auch an den Vertrieb von Fonds durch einen ausländischen Manager sind besondere Bedingungen geknüpft.

Im Hinblick auf die Auslagerungen im Fondsbereich, zB des Risiko- und Portfoliomanagements, hatte die BaFin bereits in Vorbereitung auf einen möglichen harten Brexit ein sog. Memorandum of Understanding („MoU“) mit der FCA geschlossen (wir berichteten hier). Dieses ist Voraussetzung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 4 KAGB, um Auslagerungen auf UK-Manager zuzulassen. Dieses MoU war zwar vor allem aufgrund eines möglichen harten Brexits geschlossen worden, dürfte aber auch für die Zeit nach dem 31. Dezember 2020 relevant werden.

Fazit

Das Ende des Übergangszeitraums am 31. Dezember 2020 rückt näher, ohne dass eine Einigung zwischen der EU und Großbritannien im Hinblick auf die künftigen Beziehungen im Finanzsektor absehbar wäre.

Finanzdienstleister, die grenzüberschreitend in Deutschland (bzw. der EU) tätig werden wollen, sollten sich daher nach wie vor darauf vorbereiten, dass Großbritannien ab dem 1. Januar 2021 endgültig zu einem Drittstaat wird.

Anders als in Großbritannien ist hierzulande ein weiterer Übergangszeitraum bisher nicht vorgesehen. Damit fallen zahlreiche Erleichterungen wie beispielsweise der Europäische Pass weg und es sind häufig strengere aufsichtsrechtliche Vorgaben zu erfüllen, die unter Umständen auch eine Anpassung des Geschäftsmodells erfordern.