Die BaFin hat nun zum Maßnahmenpaket, über das wir bereits Ende August im FinTech-Blog berichteten, in einem Interview ihres hauseigenen BaFin-Journals Stellung genommen – wenig überraschend begrüßt sie die verschärfenden, vermeintlich anlegerschützenden Maßnahmen.
11. Oktober 2019 Zwischenzeitlich hat auch die BaFin zu dem Maßnahmenpaket Stellung bezogen. Wie bereits zu erwarten war, äußert sie sich sehr positiv über das Paket und führt aus, dass es zu mehr Transparenz und Sicherheit auf dem grauen Kapitalmarkt führen würde:
Das Verbot des Eigenvertriebs von Vermögensanlagen und die Überführung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler von lokalen Behörden zur BaFin seien notwendig, um eine einheitliche und qualitativ hochwertige Aufsicht bei der Anlageberatung und -vermittlung zu gewährleisten.
Die BaFin verteidigt das Paket zudem gegen den Vorwurf der Bevormundung durch ein Verbot von Blindpool-Konstruktionen: Ein mündiger Anleger werde erst auf Grundlage umfassender Informationen in den Stand versetzt, eigenständige Entscheidungen treffen.
Zugleich versucht die BaFin aber auch zu beschwichtigen. So sei eine Pflicht zur Einsetzung eines unabhängigen Mittelverwendungskontrolleurs nur bzgl. Direktinvestments in Sachgüter geplant. Auch würden zusätzliche Auskunftsrechte ggü. Vermögensanlagenemittenten nicht zu einer Welle von Sonderprüfungen führen.
Insgesamt sprechen die Äußerungen der BaFin dafür, dass die meisten der geplanten Regelungen wie angekündigt (oder zumindest nur geringfügig angepasst) in Kraft treten könnten. Konkretes zu der Umsetzung des Maßnahmenpakets war noch nicht zu vernehmen, sodass die weitere Entwicklung abzuwarten bleibt.
________________________________
Die Bundesregierung nimmt die Insolvenz von P&R jetzt zum Anlass, durch strenge Regulierungsvorschriften im Bereich Vermögensanlagen und geschlossene Publikumsfonds den Schutz von Anlegern künftig zu stärken. Zudem sollen durch das Maßnahmenpaket die Kompetenzen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) bei der Überwachung von Vermögensanlagen sowie bei deren Vertrieb erweitert werden.
Das Maßnahmenpaket befasst sich schwerpunktmäßig mit Vermögensanlagen im Sinne des Vermögensanlagengesetzes („VermAnlG“). Aber auch für geschlossene Fonds im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuches („KAGB“) sind Neuerungen vorgesehen.
Im Hinblick auf Vermögensanlagen enthält das Maßnahmenpaket insbesondere folgende Überlegungen:
Bei geschlossenen (Publikums-)Fonds sieht das Maßnahmenpaket die Abschaffung so genannter De minimis Publikums AIFM vor.
Darüber hinaus ist Folgendes geplant:
Blindpools sind gängige und beliebte Gestaltungsformen. Hierbei stehen die konkreten Investitionsobjekte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Verkaufsprospektes noch nicht konkret fest; vielmehr werden diese anhand von in der Regel recht konkreten Kriterien beschrieben. Solche Blindpools sollen zukünftig nicht mehr öffentlich gegenüber Privatanlegern angeboten werden dürfen. Vielmehr sollen Initiatoren in diesen Fällen auf die Anlageform eines geschlossenen Publikums-AIF (reguliert nach dem KAGB) zurückgreifen.
Vertreibt ein Emittent/Anbieter seine Vermögensanlagen selbst – und nicht, wie häufig, durch eine externe Vertriebsgesellschaft – („Eigenvertrieb“), liegt in der Regel weder erlaubnispflichtige Anlageberatung noch Anlagevermittlung im Sinne des Kreditwesengesetzes („KWG“) und der Gewerbeordnung („GewO“) vor. Damit fallen für den Emittenten im Eigenvertrieb auch keine besonderen Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten an. Insbesondere ist er nicht dazu verpflichtet, im Hinblick auf Anleger die Angemessenheit bzw. die Geeignetheit der emittierten Vermögensanlagen für den Anleger zu prüfen und diese Prüfung zu dokumentieren. Hierzu sind nur Finanzdienstleistungsinstitute im Sinne des KWG und Finanzanlagenvermittler im Sinne der GewO verpflichtet.
Begründet wird die geplante Maßnahme u.a. damit, dass Anbieter ein starkes Interesse an der erfolgreichen Platzierung ihrer Vermögensanlage hätten. Beaufsichtigte Finanzdienstleistungsinstitute oder Finanzanlagenvermittler besäßen zudem entsprechende Sachkunde. Auch seien Anleger so nicht mehr allein auf die eigene Bewertung der Vermögensanlagen anhand des Verkaufsprospektes bzw. des Vermögensanlagen-Informationsblattes angewiesen.
Liegen konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften durch den Emittenten vor, kann die BaFin eine Prüfung der Rechnungslegung eines Emittenten von Vermögensanlagen („Sonderprüfung“) anordnen. Diese Befugnisse der BaFin sollen erweitert werden. So soll die BaFin künftig bereits im Vorfeld einer Sonderprüfung von dem Emittenten Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen verlangen können.
Emittenten von Direktinvestments sollen zukünftig verpflichtet sein, einen unabhängigen Dritten (Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer) mit der Durchführung einer Mittelverwendungskontrolle („Mittelverwendungskontrolleur“) zu beauftragen. Ein Mittelverwendungskontrolleur sei erforderlich, da sich aus den Jahresabschlüssen und Lageberichten bei Emittenten von Direktinvestments in Sachgüter keine ausreichenden Informationen über die Existenz der Sachgüter ableiten lasse, wenn das Eigentum an den Sachgütern bei den einzelnen Anlegern liege. Die Existenz von Sachgütern sei aber notwendige Bedingung dafür, dass der Emittent seine Zins- und Rückzahlungsverpflichtungen erfüllen kann.
Sofern Vermögensanlagen erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz aufwerfen, steht der BaFin eine weitreichende Produktinterventionsbefugnis zu. Sie kann dann die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf dieser Vermögensanlagen beschränken oder verbieten. Bereits Mitte März 2019 hat die BaFin verlauten lassen, sie werde bestimmte Fallgruppen (u.a. Direktinvestments mit Eigentumserwerb) verstärkt beobachten. Das Maßnahmenpaket sieht eine „konsequente Nutzung der Produktinterventionsbefugnis“ vor. Diese indirekte Aufforderung der BaFin dürfte in Zukunft sicherlich zu einer (noch) strengen Verwaltungspraxis der BaFin führen.
Der Gesetzgeber knüpft sich im Maßnahmenpaket auch einen „Exoten“ im KAGB vor – die De minimis Publikums AIFM. Dabei handelt es sich um die Kapitalverwaltungsgesellschaften („KVG“) von geschlossenen Publikumsfonds. Bei der Umsetzung der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds („AIFM-Richtlinie“) im KAGB hat der deutsche Gesetzgeber eine in der AIFM-Richtlinie vorgesehene Öffnungsklausel genutzt. Nach dieser konnten die Mitgliedsstaaten neben Spezial- auch geschlossene Publikumsfonds vorsehen. Im Zuge dessen wurde im KAGB die Vorschrift des § 2 Abs. 5 KAGB mit aufgenommen, die KVGen von geschlossenen Publikumsfonds von der Erlaubnispflicht nach dem KAGB befreit und lediglich eine Registrierungspflicht vorsieht, sofern deren verwaltete Fonds einen Schwellenwert von EUR 100 Mio. (einschließlich des Einsatzes von Leverage) nicht überschreiten. Auf diese De minimis Publikums AIFM sind nur gewisse Vorschriften des KAGB anwendbar. Eine ähnliche Ausnahme sieht das KAGB für so genannte De minimis Spezial-AIFM vor – die von diesen verwalteten Fonds dürfen allerdings nicht an Privatanleger vertrieben werden. Für De minimis Spezial-AIFM gilt grundsätzlich ebenfalls der Schwellenwert von EUR 100 Mio.; sofern allerdings kein Leverage eingesetzt wird, dürfen die verwalteten Fonds einen Schwellenwert von EUR 500 Mio. nicht überschreiten.
Im Rahmen des Maßnahmenpakets heißt es nun, dass die BaFin den Erwartungen der Anleger bezüglich registrierter KVGen aufgrund der geringen gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht werden könne. Deshalb – und “um ein einheitliches Niveau hinsichtlich der Qualifikation der Fondsverwalter und der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu gewährleisten“, sollen künftig auch De minimis Publikums AIFM der Erlaubnispflicht unterliegen; die Möglichkeit der bloßen Registrierung soll entfallen. Allerdings soll es für registrierte KVGen bereits aufgelegter Publikumsfonds eine Bestandsschutzregelung geben.
Künftig soll die Aufsicht über so genannte freie Finanzanlagenvermittler auf die BaFin übertragen werden – hierzu hatte das BMF bereits im Juli ein „Eckpunktepapier zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht“ („Eckpunktepapier“) veröffentlicht.
Freie Finanzanlagenvermittler sind Gewerbetreibende, die ausschließlich Anlageberatung und/oder -vermittlung zu Vermögensanlagen und/oder Fondsanteilen zwischen Kunden und z.B. Anbietern von Vermögensanlagen bzw. Kapitalverwaltungsgesellschaften betreiben. Diese Tätigkeiten stellen zwar Finanzdienstleistungen im Sinne des KWG dar, wofür grundsätzlich eine Erlaubnis der BaFin nach dem KWG erforderlich ist. Sofern sich die Tätigkeit allerdings auf den zuvor genannten Rahmen beschränkt, bedarf es ausnahmsweise keiner Erlaubnis nach dem KWG. Ausreichend ist vielmehr die – deutlich günstiger und leichter zu erlangende – Erlaubnis nach der GewO (§ 34f).
Freie Finanzanlagenvermittler unterliegen bislang nicht der Aufsicht der BaFin, sondern – je nach Bundesland – dem Gewerbeamt bzw. der Industrie- und Handelskammer. Dies soll sich ändern: Wie schon im Eckpunktepapier angeklungen, soll durch die Übertragung der Aufsicht auf die BaFin eine „einheitliche und qualitativ hochwertige Finanzaufsicht im Bereich der Finanzanlagenvermittlung“ erreicht werden.
Schließlich soll die BaFin stärker im Bereich Verbraucherbildung zu Vermögensanlagen und geschlossenen Publikumsfonds tätig werden. Um den Aufklärungsbedarf von Verbrauchern in diesen Bereichen zu ermitteln, sollen zunächst Verbrauchererhebungen durchgeführt werden. Angedacht sind ebenfalls so genannte „Digitale Stammtische“, bei denen sich Fortbilder aus der Seniorenarbeit zu aktuellen IT-Themen mit Experten austauschen können sollen.
Sicherlich ist es begrüßenswert, wenn der Gesetzgeber auf „Anlageskandale“ reagiert – aber muss es wirklich so brachial sein?
Ob es wirklich Vermögensanlagen und geschlossene Publikumsfonds sind, die stärkere Eingriffe und Beaufsichtigung des Gesetzgebers bzw. der BaFin erfordern, erscheint doch fraglich – schaut man sich etwa die täglichen „Naming & Shaming“-Meldungen der BaFin an: Darin geht es in erster Linie um ominöse Online „Trading-Plattformen“ oder „Online Payment Services“ – Worte wie „Vermögensanlage“ oder „Publikumsfonds“ tauchen dort vergleichsweise selten auf.
In der Praxis dürften sich zT erhebliche Probleme bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Regelungen ergeben.
Insbesondere in Bezug auf das Verbot von bisher gängigen Blindpools ist fraglich, wie diese Konstruktionen künftig ausgestaltet werden sollen. Zum einen wäre eine konkrete und detaillierte Auflistung sowie Beschreibung der Anlageobjekte erforderlich. Dies würde bei einem größeren Investitionsobjektepool zu „aufgeblähten“ Verkaufsprospekten führen, welche die Anleger wohl kaum vollständig durchlesen würden – das Gegenteil also von dem, was gewollt ist: Transparenz. Zudem wäre erforderlich, dass jede Änderung im Rahmen der Nachtragspflicht veröffentlicht wird. Dies könnte zu wesentlichen zeitlichen Verzögerungen führen, die mitunter die Emission der Vermögensanlage gänzlich gefährden könnten. Auch dürfte die konkrete Auflistung sämtlicher zukünftiger Investitionsobjekte zT faktisch unmöglich sein, zumal das Maßnahmenpaket es offen lässt, wie konkret eine Beschreibung der Investitionsobjekte erfolgen soll. Dass Investitionsobjektepools auch zu einer Risikostreuung führen können, blenden BMF und BMJV aus.
Auch die Abschaffung des Eigenvertriebs dürfte gravierende Auswirkungen auf die Branche haben. Die Möglichkeit des Eigenvertriebs mit geringen Kosten ermöglicht einigen Emittenten oftmals überhaupt erst die Emission der Vermögensanlage. Ist der Eigenvertrieb nicht mehr möglich, ist es denkbar, dass einige Emittenten sich die höheren Kosten – etwa für die Gründung und Unterhaltung einer Vertriebsgesellschaft – nicht leisten können. Der unterschwellige Vorwurf, dass Emittenten im Eigenvertrieb möglicherweise keine hinreichende Sachkunde hätten und eigene Interessen verfolgten, liest sich auch nicht wirklich differenziert.
Die Abschaffung der Registrierungsmöglichkeit für KVGen von Publikums-AIF bedeutet für diese künftig deutlich mehr Aufwand und wesentlich höhere Kosten, da die Erlaubnis zeitaufwendiger und kostspieliger ist als eine Registrierung. Zudem wird durch die mit einer Erlaubnis verbundene Anwendung des gesamten KAGB den Pflichtenkreis deutlich erweitert. In Anbetracht der ohnehin nur sehr wenigen De minimis Publikums-AIFM ist dieses Vorhaben ebenfalls nicht nachvollziehbar.
Ob die Übertragung der Aufsicht über die freien Finanzanlagenvermittler auf die BaFin tatsächlich zu einer Verbesserung der Aufsicht führt, ist fraglich. Jedenfalls ist anzunehmen, dass die Kosten für Finanzanlagenvermittler steigen werden. Zudem könnte die Übertragung der Aufsicht auf die BaFin die Produktentwicklung hemmen.
Abschließend ist festzustellen, dass die im Maßnahmenpaket vorgeschlagenen Änderungen der Branche wohl eher schaden und auch nicht maßgeblich zum Anlegerschutz beitragen dürften. Wünschenswert wären ausdifferenzierte Regelungen, die insbesondere Blindpools unter bestimmten Voraussetzungen zulassen, die Beibehaltung der Möglichkeit des Eigenvertriebs durch Emittenten sowie das Konstrukt des De minimis Publikums-AIFM.