Traditionelle Börsen wollen beim Kryptohandel mitmischen


Das Internet ist voller Anbieter von „Krypto-Handelsplattformen“. Doch beschränken sich die Anbieter bislang eher auf FinTech-Start-ups; die großen, „traditionellen“ Börsen sind bislang eher nicht dabei. Doch auch diese müssen sich der in Deutschland der zunehmenden Digitalisierung stellen und für ihre geschäftliche Zukunft sorgen. Zwei aktuelle Projekte der Börse Stuttgart und der Deutschen Börse nehmen dies in Angriff.

Börse Stuttgart

Mit BISON hat die Stuttgarter Börse bereits eine Krypto-Trading-App auf den Markt gebracht, Betreiber ist die EUWAX AG, eine (regulierte) Tochter der Börse Stuttgart. Zudem ist wohl die solarisBank AG – eine der führenden Banken im FinTech-Sektor – als Kooperationspartner eingebunden.

Konzept

Dem Nutzer wird der Handel mit Kryptowährungen angeboten. Derzeit sollen vier Kryptowährungen vom Portfolio der Trading-App umfasst sein (Bitcoin, Ether, Litecoin und Ripple), zukünftig soll das Angebot noch erweitert werden.

Für den Nutzer soll der Einstieg denkbar einfach sein: App herunterladen, Identifizierung per Video-Ident-Verfahren, Aufladen des Nutzer-Kontos – und schon soll der Handel mit Kryptowährungen losgehen können. Vertragspartner des Nutzers soll dabei immer die EUWAX AG als Betreiber der Krypto-Handelsplattform sein, die im Auftrag des Nutzers die gewünschten Währungen auf einer Partnerbörse ein- und an den Nutzer verkaufen soll. Wer sich zunächst noch im Handel mit Kryptowährungen üben möchte, dem soll eine kostenlose Demo-Variante zur Verfügung stehen, in der mit „Spielgeld“ gehandelt werden kann.

Besonderheit bei BISON soll sein, dass der Nutzer für den Handel mit Kryptowährungen keine eigene Krypto-Wallet haben muss. Die Kryptowährungen sollen stattdessen treuhänderisch von der blocknox GmbH, einer weiteren Tochter der Stuttgarter Börse, verwahrt werden. Dies würde allerdings zugleich bedeuten, dass der Nutzer sich die erworbenen Kryptowährungen erst gesondert in seine eigene Wallet auszahlen lassen muss, möchte er diese auf einer anderen Handelsplattform als BISON nutzen.

Laut BISON werden keinerlei Gebühren erhoben, egal welche Transaktion vorgenommen werden soll. Ganz korrekt ist das allerdings nicht: BISON soll bei jeder Transaktion die Differenz zwischen Kaufs- und Verkaufspreis (sog. „Spread“) erhalten, die derzeit bei 0,75 % liegt und je nach Marktgegebenheiten und Transaktionsvolumina variieren soll.

Keine rechtlichen Hürden?

Nach eigenen Angaben soll es sich bei BISON weder um einen regulierten noch einen überwachten Markt handeln. Allerdings stellen Kryptowährungen nach Auffassung der Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht („BaFin“) zumindest regelmäßig Rechnungseinheiten im Sinne des Kreditwesengesetzes („KWG“) dar. Insoweit bedarf der Handel mit Kryptowährungen einer Erlaubnis der BaFin – insbesondere wegen des Betriebs eines multilateralen Handelssystems („MTF“) oder des Eigenhandels.

Der Betrieb eines MTF setzt insbesondere voraus, dass der Betreiber die Parteien eines potenziellen Geschäfts über Finanzinstrumente zusammenbringt, zwischen denen es dann zu einem Kauf bzw. Verkauf von Finanzinstrumenten kommt. Erforderlich ist, dass Kauf- bzw. Verkaufsaufträge der Parteien / Nutzer automatisch „gemachted“ werden; der Betreiber des MTF wird selbst nicht Vertragspartei des Geschäfts.

Eigenhandel setzt demgegenüber voraus, dass Finanzinstrumente auf eigene Rechnung ge- und verkauft werden – der „Betreiber“ also selbst Vertragspartei eines Geschäfts über den Kauf- bzw. Verkauf von Finanzinstrumenten wird und selbst die wirtschaftlichen Folgen des Geschäfts trägt.

Laut eigenen Angaben verkauft die EUWAX AG als Betreiberin der App Kryptowährungen an und kauft jene von ihren Nutzern. Insoweit spricht einiges dafür, dass die EUWAX AG Eigenhandel betreibt – und nicht sich deckende Kauf- bzw. Verkaufsaufträge von Nutzern (automatisch) „matched“. EUWAX AG ist (anders als BISON) aufgrund Ihrer BaFin-Erlaubnis berechtigt, diesen Eigenhandel durchzuführen.

Treuhänderische Verwahrung

BISON spricht betreffend die treuhänderische Verwahrung der Kryptowährungen bei der blocknox GmbH von einem umfassenden und mehrstufigen Sicherheitssystem. Konkretere Angaben zur Ausgestaltung sind allerdings nicht bekannt. Es bleibt insoweit unklar, wie genau die treuhänderische Verwahrung tatsächlich ausgestaltet ist und inwieweit das Sicherheitssystem tatsächlich einen erhöhten Sicherheitsstatus gewährleisten kann.

Deutsche Börse

Das Projekt der Deutschen Börse steckt hingegen noch in den Kinderschuhen. Wie die Deutsche Börse in einer Pressemitteilung bekannt gab, soll sie eine strategische Partnerschaft mit einem führenden IT-Dienstleister aus der Schweiz (Swisscom) und einem in der Schweiz und Singapur ansässigen Finanztechnologieunternehmen (Sygnum) eingegangen sein. Sygnum und Deutsche Börse sollen sich darüber hinaus an der daura AG beteiligen, einem Unternehmen, das in der Schweiz kleinen und mittleren Unternehmen die Übertragung und Registrierung ihrer Aktien mittels Distributed Ledger Technologie („DLT“) – zu der auch die Blockchain-Technologie gehört – anbieten soll.

Konzept

Ziel der Kooperation soll es sein, eine vertrauenswürdige Finanzmarktinfrastruktur für digitale Werte aufzubauen. Im Mittelpunkt soll die Nutzung der DLT stehen, mit deren Hilfe Dienstleistungen wie die Emission und Verwahrung von Krypto-Token und weitere Dienstleistungen erbracht werden sollen. Konkretere Angaben zu den geplanten Features der Finanzinfrastruktur fehlen aktuell noch.

Umsetzung zunächst nur in der Schweiz

Umgesetzt werden soll das Projekt zunächst in der Schweiz. Sygnum soll sich derzeit bereits im Beantragungsprozess bzgl. einer Banken- und Wertpapierhandelslizenz bei der schweizerischen Finanzaufsicht FINMA befinden. Erste Dienstleistungen sollen noch in diesem Jahr angeboten werden können. Das Angebot soll danach schrittweise auch auf andere Länder – insbesondere in der EU – erweitert werden.

Festzuhalten bleibt letztlich, dass die Deutsche Börse mit der Implementierung einer neuen Finanzmarktinfrastruktur einen umfassenderen Ansatz verfolgt als die Börse Stuttgart. Die aufsichtsrechtliche Regulierung der beteiligten Akteure des Systems dürfte jedenfalls von Anlegern positiv wahrgenommen und mit einem Vertrauensgewinn belohnt werden. Wann das komplexe System aber tatsächlich von der breiten Masse auch in Deutschland genutzt werden kann, ist noch nicht absehbar.