Initial Coin Offerings („ICO“) sind nun bereits seit längerem eine attraktive alternative Form der Unternehmensfinanzierung - insbesondere für Start-ups. Regelmäßig wird von ICOs berichtet, die große Summen zur Finanzierung von Projekten oder Unternehmen eingesammelt haben. So hat das Start-up Block.one 2018 einen neuen ICO-Rekord mit einer Summe von 4 Milliarden USD erreicht und damit den Rekord von Telegram gebrochen. Auch für deutsche Unternehmen dürften ICOs – zumindest langfristig – Potential haben, wie mehrere „deutsche“ ICOs in 2018 andeuten, wie das Berliner börsennotierte Unternehmen Staramba in der zweiten Jahreshälfte 2018 mit einem ICO-Emissionsvolumen von fast 22 Millionen USD bewiesen hat.
Allerdings stellen sich in Deutschland für Unternehmen, die einen ICO planen, zahlreiche regulatorische Fragen. Insbesondere mit Blick auf den aufkommenden Trend Security Token im Rahmen eines ICOs auszugeben (sog. Security Token Offerings – „STO“), ist die Rechtslage noch nicht eindeutig geklärt. Um das Innovationspotential dieser alternativen Finanzierungsform voll auszuschöpfen, ist frühzeitig an die rechtliche Ausgestaltung der „digitalen Finanzierung“ zu denken.
1. ICO 1.0 – erste Erscheinungen von ICOs
1. 1 Was versteht man unter Initial Coin Offering?
Der Begriff Initial Coin Offering leitet sich von der Fachbezeichnung für den Börsengang eines Unternehmens, dem Initial Public Offering („IPO“) ab. Während bei einem IPO die Ausgabe von Aktien eines Unternehmens an einem organisierten Kapitalmarkt erfolgt, ist ein ICO das erstmalige Angebot neu geschaffener Token (auch Coins genannt) durch den Herausgeber der Token („Token-Issuer“). Token sind digitale Werteinheiten. Die häufig auf Grundlage der Blockchain-Technologie erzeugten Token werden dann in einem öffentlichen „Token Generating Event“ an interessierte Anleger verkauft. Der Kaufpreis kann in gesetzlicher (Fiat-)Währung wie EUR oder USD oder – wie zumeist – in etablierter virtueller Währung (z.B. Bitcoin, Ether, Ripple, u.a.) bezahlt werden. Aus dem Erlös aus dem Verkauf der Token wird dann das geplante Projekt finanziert. Die Gestaltung der Token ist variabel, sodass die Finanzierung in unterschiedlicher Weise erfolgen kann. Token können z.B. mitgliedschaftliche Rechte oder schuldrechtliche Ansprüche vermögenswerten Inhalts verkörpern, einen Anspruch auf den Bezug einer Ware oder Dienstleistung oder auch gar keinen Anspruch beinhalten.
Die Abwicklung des Angebots der Token über die Blockchain-Technologie ermöglicht eine öffentliche, selbstverwaltete und recht fälschungssichere Ausgabe der Token. Bei der Blockchain handelt es sich um eine dezentrale Datenbank, die eine vollständige Liste der Transaktionsdatensätze in Form von Blöcken enthält. Die Blockchain funktioniert somit ähnlich wie ein öffentlich zugängliches Kontobuch, welches nur ein Fortschreiben, nicht aber ein Löschen der Datensätze erlaubt. Dies ermöglicht dem einzelnen Teilnehmer des Netzwerks, jede Transaktion recht einfach selbst zu überprüfen, da sie jeweils bei jedem Teilnehmer des Netzwerks dezentral gespeichert wird. Durch das so geschaffene Vertrauen der Beteiligten in den Ablauf des ICOs, kann auf einen Intermediär, wie z.B. eine Bank, verzichtet werden. Folglich kann der Einsatz der dezentralen Blockchain dazu führen, Vertrauen zwischen den Beteiligten zu schaffen und dadurch Transaktionskosten verringern.
1.2 Verschiedene Kategorien von Token
Derzeit lassen sich Token in der Praxis in drei Kategorien einteilen, die jedoch aufgrund der schnellen Entwicklungen bei ICOs weder abschließend noch unveränderlich sind.
1.3 Bisherige ICOs in Deutschland und im Ausland
Bei den bisher erfolgten ICOs in Deutschland handelt es sich überwiegend um die Ausgabe von (zumindest so benannten) Utility Token. Unternehmen gewähren dabei den Investoren eine bestimmte Leistung – häufig nach Realisierung des geplanten Projekts. Zudem lassen sich die Token bei einer Wertsteigerung auch rentabel auf dem Zweitmarkt weiterverkaufen. Viele Beobachter sehen es als problematisch an, dass es bei ICOs wiederholt zu einem Prinzip des „pump and dump“ gekommen ist. Unternehmen konnten hohe Emissionsvolumen bei einem ICO erzielen, haben dann aber den Unternehmensbetrieb nicht aufgenommen. Für Investoren bedeutet dies vor allem Unsicherheit darüber, ob das emittierende Unternehmen tatsächlich den Betrieb aufnimmt und die Token dadurch wie vorgesehen einsetzbar oder zum Weiterverkauf geeignet sind. Diese Entwicklung von ICOs zeigt, dass das Betrugsrisiko aktuell noch sehr hoch und eine Anlage in Token deshalb riskant ist.
2. ICO 2.0 – neuste Entwicklung von ICOs – Tokenisierung von Gesellschaftsanteilen
Gerade aufgrund des derzeitig hohen Betrugsrisikos, entwickelt sich nun ein Trend hin zur Ausgabe von Security Token durch Start-ups zur Kapitalaufnahme (STO). Mithilfe von STOs soll die Investition interessanter werden und gleichzeitig mehr Rechtssicherheit für Investoren gewonnen werden. Wie die Entwicklung von Security Token aussehen könnte, zeigen bereits Geschäftsmodelle, die eine virtuelle Beteiligung an Unternehmen über den Erwerb von Token vorsehen.
Einen ersten Vorstoß wagt diesbezüglich seit Ende November 2018 die Online-Plattform Neufund mit dem laut eigenen Angaben „weltweit ersten Equity Token Offering“ (letztlich ein STO, der weltweit gesehen nicht der erste ist). Ausgegeben werden wohl Security Token der Betreibergesellschaft hinter der Neufund-Plattform. Bei genauerem Hinsehen lässt sich jedoch feststellen, dass Neufund letztlich doch die relativ hohen Hürden der BaFin scheut: Durch das Anheben des Mindestinvestitionsbetrags auf mind. 100.000 EUR kurz vor Start des STOs ist man einer Prospektpflicht nach dem Wertpapierprospektgesetz („WpPG“) – und damit verbundener aktuell noch offener Fragen der BaFin – wohl ausgewichen.
2.1 Rechtliche Einschätzung der Tokenisierung von Gesellschaftsanteilen
Durch die Ausgabe von Security Token im Rahmen eines ICOs werden Gesellschaftsanteile virtuell nachgebildet (Tokenisierung von Gesellschaftsanteilen). Die Token können unterschiedlich ausgestaltet sein. Gemein ist ihnen, dass sie mindestens entweder ein schuldrechtliches Vermögensrecht oder ein mitgliedschaftliches Recht verkörpern.
Kernfrage bei (aber vielmehr vor) der Ausgabe von Security Token ist die regulatorische Bewertung. Dabei lässt sich aufgrund der Gestaltungsfreiheit der Token keine generelle Aussage treffen, vielmehr ist eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. Security Token können rechtlich sowohl Wertpapiere nach dem Wertpapierhandelsgesetz („WpHG“) bzw. dem WpPG sowie der seit Juli 2018 (teilweise) unmittelbar anwendbaren EU-Wertpapierprospekt-Verordnung („WpVO“), Investmentvermögen nach § 1 Abs. 1 Kaptalanlagegesetzbuch („KAGB“) als auch Vermögensanlagen nach dem Vermögensanlagengesetz („VermAnlG“) darstellen. Die aufsichtsrechtliche Einordnung der Token hat Auswirkungen auf mögliche Pflichten bei der Emission (z.B. Prospektpflicht). Besonders relevant bei der Ausgabe von Security Token könnte die Einordung als Wertpapier sein.
Token gelten als Wertpapiere nach § 2 Abs. 1 WpHG (bzw. § 2 Nr. 1 WpPG und Art. 2 a) WpVO), wenn die Token übertragbar und handelbar auf den Finanzmärkten sind sowie mitgliedschaftliche Beteiligungsrechte oder schuldrechtliche Vermögensrechte verkörpern (vergleichbar zu Aktien oder dieser gleichzustellende Anteile). Weiterhin darf der Token nicht als reines Zahlungsmittel einzuordnen sein.
Die Übertragbarkeit setzt voraus, dass der Token technisch in seinem wesentlichen rechtlichen Gehalt übertragbar ist. Dagegen sprechen beispielsweise Beschränkungen bei der Zahl der möglichen Übertragungen oder die ausschließliche Übertragung durch privilegierte Nutzer.
Für die Handelbarkeit der Token ist eine Standardisierung entscheidend. Dies bedeutet, dass die Wertpapiere durch gemeinsame, standardisierte Merkmale bestimmbar sein müssen. Nicht erforderlich sind die Verbriefung in einer Urkunde und die Verwahrfähigkeit der Token.
Eine Verkörperung mitgliedschaftlicher Rechte liegt insbesondere dann vor, wenn der Token eine Beteiligung an dem Unternehmen vermittelt (z. B. Informations-, Kontroll- und Stimmrechte) und dadurch mit einer Aktie vergleichbar ist.
Vermögensmäßige Rechte sind dann im Token verkörpert, wenn schuldrechtliche Vermögensansprüche gegen die Emittentin bestehen und dieser Anspruch nur mit dem Token übertragen werden kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die mit dem Token verbundenen Rechtspositionen einem Schuldtitel nahekommen oder wenn der Tokeninhaber Anspruch auf z. B. einen Anteil am Jahresgewinn hat (= Vermögensrechte).
Gerade wegen der komplexen Gestaltungsmöglichkeiten von Utility Token ist laut der deutschen Finanzaufsichtsbehörde BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) bei der rechtlichen Bewertung von Token darauf zu achten, ob das Instrument der Realwirtschaft zuzuordnen ist (was gegen die Einordnung als ein Finanzinstrument sprechen dürfte) oder ein Finanzinstrument darstellt. Wenn der Token seinem Schwerpunkt nach Finanzierungszwecken dient und wertpapierähnliche Rechte in dem Token verkörpert sind, kann dies für das Vorliegen eines Finanzinstruments (in Form eines Wertpapiers) sprechen.
Erfüllen die Security Token die Voraussetzungen eines Wertpapiers im Sinne des WpPG bzw. des WpHG, bedeutet die Einordnung für den Investor insofern mehr Rechtssicherheit, als dass dann die regulatorischen Vorgaben für Wertpapiere greifen. Für den Emittent heißt die Einordnung als Wertpapier auch, dass er die regulatorischen Vorgaben einhalten muss, da ansonsten die Geschäftseinstellung und hohe Bußgelder drohen können. Nachteil ist allerdings die häufig lange Vorlaufzeit zur Erstellung des dann erforderlichen Wertpapierprospekts sowie die damit verbundenen Kosten.
2.2 Digitale datenbankbasierte Wertpapierverwaltung
Im Rahmen der Digitalisierung wird auch die Registerführung von Wertpapieren eine Erneuerung erfahren. Dabei werden insbesondere elektronische Datenbanken an Bedeutung gewinnen. Die Blockchain als digitale Datenbank kann gerade bei der Schaffung von Wertpapieren durch ICOs besonders nützlich sein. Jede Token-Transaktion seit der Entstehung des Token wird in der Blockchain dokumentiert. Da insbesondere die Verbriefung des Token in einer Urkunde für den Wertpapierbegriff nach § 2 Abs. 1 WpHG nicht erforderlich ist, dürfte es ausreichend sein, den Inhaber eines Token anhand der Blockchain zu dokumentieren. Zudem kann auch der Wert bzw. das Recht, welches der Token gewährt, in der Datenbank eingesehen werden. Die Dokumentation in der Blockchain dürfte somit die Führung des Token in einem Register ersetzen.
Aus dem fehlenden Erfordernis einer Verbriefung der Security Token lässt sich schließen, dass auch die Verwahrfähigkeit bzw. die Verwahrung der Token nicht zwingend erforderlich sein dürfte. Dies ergibt sich insbesondere aus den unterschiedlichen Wertpapierbegriffen des WpHG und des Depotgesetzes („DepotG“). Für den Wertpapierbegriff des § 2 Abs. 1 WpHG ist eine Verbriefung der Wertpapiere nicht erforderlich, während der Wertpapierbegriff des § 1 Abs. 1 S.1 DepotG ein vertretbares und damit eine nach § 91 BGB nach Anzahl bestimmbare bewegliche Sache (nach § 90 BGB nur körperliche Gegenstände) voraussetzt. Damit setzt das DepotG trotz der abnehmenden Bedeutung des Papiers nach wie vor eine Verkörperung durch eine Verbriefung des Wertpapiers voraus. In der Regel dürfte der Token jedoch aufgrund seiner Dokumentation in der Blockchain ein nicht z. B. in einer Urkunde verkörpertes Wertpapier darstellen. Als nicht verkörpertes Wertpapier dürfte der Security Token dann zwar den Regelungen nach dem WpHG, nicht jedoch dem Depotgeschäft nach dem KWG unterfallen. Dies dürfte bedeuten, dass nicht alle Security Token, die als Wertpapiere eingestuft werden, auch nach dem DepotG bei einer Verwahrbank wie Clearstream International S.A. (derzeit die einzige Wertpapiersammelbank in Deutschland) sammelverwahrt werden müssen. Vielmehr dürfte für nicht verbriefte Wertpapiere eine Dokumentation über die Blockchain-Datenbank ausreichend sein.
3. Fazit
Für Unternehmen ist die Finanzierung über ICOs nach wie vor sehr attraktiv, da ein breiter Kreis von Investoren angesprochen werden kann und es sich um eine kostengünstige Alternative zu den althergebrachten Finanzierungsformen handelt. Um das Interesse von Anlegern zu wecken und diesen mehr Rechtssicherheit zu bieten, beabsichtigen immer mehr Unternehmen Security Token auszugeben. Das emittierende Unternehmen sollte jedoch beachten, ob die Gestaltung der Token wertpapierähnlich ist und deshalb den regulatorischen Vorgaben zu Wertpapieren unterfällt. Durch die technische Funktion der Blockchain als Datenbank sollte sich für Security Token der Eintrag in einem Register erübrigen und eine Verwahrung nicht verbriefter Wertpapiere ggf. entbehrlich machen. Diese Vorteile der virtuellen Ausgabe von Wertpapieren dürften Security Token im Rahmen der Digitalisierung von Investitionsmöglichkeiten zukünftig zunehmend interessant machen. Der ICO-Markt könnte folglich bei richtiger Gestaltung und angemessener Regulierung noch deutlich an Potential und Gewicht gewinnen.