In einem kürzlich entschiedenen Fall beschäftigte sich der Bundesgerichtshof („BGH“) (Urteil vom 4. Oktober 2017 – Az. III ZR 213/17) neben der Frage, ob die Klägerin eine an-lagegerechte Beratung erhielt, insbesondere mit der Problematik, wen die Darlegungs- und Beweislast in der Anlageberatung trifft, wenn behauptet wird, dass der Emissionsprospekt nicht übergeben worden sei.
Zum Hintergrund: Die Klägerin investierte in einen geschlossenen Fonds und behaupte, nicht nur, keine anlagegerechte Beratung erhalten zu haben, sondern insbesondere, dass ihr der Verkaufsprospekt nicht (rechtzeitig) übergeben wurde. Dabei unterschrieb sie die Beitrittserklärung – offensichtlich –, ohne sich diese zuvor durchgelesen zu haben. Den Erhalt des Verkaufsprospektes bestätigte sie nämlich nicht nur mit ihrer Unterschrift in der Beitrittserklärung, sondern darüber hinaus auch in einem von ihr gesondert unterschriebenen, in der Beitrittserklärung enthaltenen und durch Rahmung hervorgehobenen Empfangsbekenntnis. Dennoch gab die Klägerin an, ihr sei bei der Unterzeichnung der Beitrittserklärung nicht aufgefallen, dass sie mit ihrer Unterschrift auch die Kenntnisnahme des Prospektes bestätigt habe.
Schwierigkeiten bereitete in dem zur Entscheidung vorliegenden Fall der Nachweis der fehlenden Übergabe des Verkaufsprospektes – also einer negativen Tatsache. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH trägt derjenige, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Hier behauptete die Klägerin eine solche Pflichtverletzung, sodass sie die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Übergabe des Verkaufsprospektes trug.
Der BGH war sich der Schwierigkeiten des Nachweises einer negativen Tatsache bewusst. Er versuchte, diese auszugleichen, indem die andere Partei die behauptete fehlende Übergabe substantiiert bestreiten müsse. Im Regelfall geschehe dies durch die Darlegung, wann und unter welchen Umständen der Prospekt übergeben wurde (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2017 – Az. III ZR 565/16). Kann der entscheidungserhebliche Sachverhalt von keiner der beiden Parteien aufgeklärt werden, so geht dies zu Lasten derjenigen Partei, die die Darlegungslast trägt; hier also zu Lasten der Klägerin. Unter Anwendung dieser Grundsätze hatte die Beklagte die von der Klägerin behauptete fehlende Übergabe des Verkaufsprospektes zunächst hinreichend bestritten. Vielmehr konnte die Beklagte die Übergabe des Prospektes sogar noch positiv behaupten, indem sie auf die vorgelegte Beitrittserklärung sowie die Bestätigung der Übergabe in dem Empfangsbekenntnis verwies.
Bewertung des Urteils
Zu Recht bestätigte der BGH in dieser Entscheidung noch einmal seine bisherige Rechtsprechung. Die Vorinstanzen hätten vor allem – wie auch die Klägerin – außer Acht gelassen, dass die Klägerin gleich zweimal die Übergabe des Verkaufsprospektes mit ihrer Unterschrift bestätigt hatte.
Es bleibt zu hoffen, dass das – sich hier schon fast aufdrängende – Sprichwort „Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.“ ernster genommen wird.