Virtuelle Währungen sind derzeit in aller Munde. Beginnend mit der „Mutter“ aller virtuellen Währungen, dem Bitcoin, der derzeit – medial stark begleitet – astronomische Kurse erklimmt (der „Kurs“ für einen Bitcoin liegt derzeit bei knapp EUR 10.000 und stieg Ende 2017 kurzzeitig auf bis zu EUR 13.000), entstanden über die letzten Jahre viele weitere virtuelle Währungen. Der Handel mit virtuellen Währungen (oder auch Kryptocurrencies, digitale Währungen oder Kryptowährung genannt) boomt. Neuere Entwicklung der Krypto-Branche ist der sogenannte Initial Coin Offering („ICO“). Dieser stellt – angelehnt an den Börsengang eines Unternehmens, dem Initial Public Offering („IPO“) – eine neue Form der Unternehmensfinanzierung digitaler Unternehmen dar.
Die Erfolgsstory um den ICO des Internetbrowsers „brave“ im Mai 2017 verdeutlicht, weshalb ein ICO für Start-ups / Gründer besonders attraktiv sein kann: innerhalb von 30 Sekunden wurden im Rahmen des ICOs der Tokens von „brave“ die rekordverdächtige Summe von USD 35 Millionen eingenommen. Auch der bisher mit weitem Abstand größte ICO des beliebten Messenger-Dienstes Telegram, bei dem bereits im Pre-Token Sale USD 850 Mio. von institutionellen Investoren eingesammelt wurden, schlägt derzeit hohe Wellen. Und auch in Deutschland werden ICOs immer populärer. Der erste deutsche ICO wurde von der Shopping-App Wysker initiiert, in der Kunden später mit Token ihre Einkäufe bezahlen können. Ein weiteres Beispiel sind die Plattform Bitwala, die eine Plattform für Finanztransaktionen anbietet und einen Token anbietet, der nach seiner Beschreibung als Eigenkapitalbeteiligung (an einem „digitalen Unternehmen“) ausgestaltet ist, sowie Savedroid, die eine virtuelle Geldbörse für An- und Verkauf von Kryptowährungen anbieten.
Vermeintlicher Pluspunkt bei einem ICO für digitale Start-ups / Gründer ist, dass viele Mitglieder der Krypto-Branche glauben, dass ICOs und Tokens keinen aufsichts- und kapitalmarktrechtlichen Vorschriften unterliegen und daher nicht reguliert seien. Dadurch könnten im Vergleich zum herkömmlichen IPO die nicht unerheblichen Kosten für die kapitalmarktrechtliche Begleitung, insbesondere die Erstellung eines Prospekts, eingespart und etwaige Folgepflichten vermieden werden. Doch dürfte diese Einschätzung häufig aufsichtsrechtlich nicht haltbar sein. Dies hätte im Einzelfall weitreichende (Haftungs-)Risiken zur Folge.
Initial Coin Offering als erstmaliges Angebot einer neu geschaffenen virtuellen Währung
Der Begriff des Initial Coin Offerings orientiert sich an dem Terminus des Initial Public Offerings. Während der IPO das erstmalige öffentliche Angebot bereits bestehender Aktien aus dem Bestand der Altaktionäre oder neu geschaffener Aktien aus einer Kapitalerhöhung umfasst, bezieht sich der ICO auf das erstmalige Angebot neu geschaffener Token (auch Coins genannt durch den Herausgeber der Token („Token-Issuer“). Token sind Einheiten einer virtuellen Währung, die häufig auf einer Blockchain basieren. Interessierte erwerben im Rahmen des ICO die Token („Tokeninhaber“) und finanzieren so das von den Entwicklern geplante Projekt. Der ICO ist eine häufig Blockchain-basierte Form des Crowdfunding, da viele Menschen ein Projekt finanzieren, was durch eine Blockchain „digital aufgezeichnet“ wird. Die Token können unterschiedlich ausgestaltet sein und zur Finanzierung unterschiedlichster Projekte beitragen. Tokens können z.B. die Mitbestimmung bezüglich des zu finanzierenden Projekts, einen Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung / Dividendenausschüttung, die Inanspruchnahme einer Ware oder Dienstleistung oder auch gar keinen Anspruch beinhalten.
Die neu geschaffenen Token werden von den Investoren entweder mit hergebrachten Währungen wie EUR oder USD, sehr viel häufiger aber mittels einer bereits etablierten virtuellen Währung wie Bitcoin oder Ether erworben. Das langfristige Ziel eines ICOs ist in der Regel, ein eher allgemein oder detailliert beschriebenes Projekt zu finanzieren. Das zu finanzierende Projekt existiert zum Zeitpunkt der Ausgabe der neuen Tokens regelmäßig noch nicht, da zu dessen Verwirklichung zunächst eine bestimmte im Rahmen des ICO festgelegte Finanzierungschwelle erreicht werden muss und erst bei deren Erreichen das Projekt realisiert wird. Um potenzielle Investoren zu überzeugen, erstellen die Entwickler der Tokens zumeist ein sogenanntes „White Paper“, in dem das geplante Projekt beschrieben und die Details des ICOs wie Ausgabemenge, -preis und -zeitraum genannt werden. Desweiteren werden sog. Terms and Conditions veröffentlicht, die die Rechte und Pflichten zwischen ICO-Issuer und späteren Tokeninhabern regeln. Zudem bildet sich häufig ein Sekundärmarkt für den Handel mit diesen Token, auf dem die Token gewinnbringend weiterverkauft werden können. Intention des ICOs ist daher kurz gesagt die Schaffung einer neuen virtuellen Währung zur Finanzierung von Projekten.
Virtuelle Währungen sind „Internetwährungen“, die in einem Computernetz geschaffen werden. Alle Transaktionen und Guthaben von virtuellen Währungen werden dezentral in einem Computernetz verwaltet. Dadurch grenzen sie sich von staatlichen Währungen ab, denn sie werden nicht von einer zentralen staatlichen Autorität begeben und sind folglich nicht regierungsgebunden. Virtuelle Währungen sind endlich und von Anfang an auf eine konkrete Maximalsumme beschränkt. Die bekanntesten Beispiele für digitale Währungen sind derzeit Bitcoin und Ether. Die Schöpfung dieser digitalen Währungen erfolgt durch kryptografische Berechnung mittels Blockchain.
Was ist eine Blockchain?
Blockchain bedeutet wörtlich übersetzt Block-Kette. Es handelt sich bei der Blockchain um eine Datenbank, die eine stetig erweiterbare Liste von Transaktionsdatensätzen in Form von Blöcken enthält und dezentral organisiert ist. Die Transaktionen erfolgen Peer-to-Peer ohne Zwischenschaltung einer Bank. Es handelt sich um eine Art virtuelles „Kassenbuch“ für alle Transaktionen der jeweiligen virtuellen Währung. Die Blöcke der Blockchain sind miteinander verbunden. Jeder Block enthält eine Codierung des vorherigen Blocks („Hash“), einen Zeitstempel und Transaktionsdaten sowie die gesamte Transaktionshistorie der Blockchain. Diese Informationen werden verschlüsselt in dem jeweiligen Block gespeichert. Es werden also mehrere Transaktionen in einem Block zusammengefasst, der chronologisch auf dem vorherigen Block aufbaut, wodurch dann die Kette an Blöcken (Blockchain) entsteht. Ein neuer Block muss zunächst von den Netzwerkteilnehmern generiert werden, dies bezeichnet man als „Mining“.
Dabei müssen die Netzwerkteilnehmer mit ihrer IT(-Rechenleistung) zunächst eine schwierige mathematische Aufgabe lösen. Hierbei konkurrieren sie um die schnellste Lösung der Aufgabe und damit um die Validierung der Transaktion. Der schnellste Rechner, der letztlich die Validierung durchführt, erhält eine Belohnung in Form von Rechnungseinheiten (bei Bitcoin z. B. in Form von Satoshis, der kleinsten Untereinheit des Bitcoins (1 Bitcoin = 100 Mio. Satoshis) bzw. Token. Er leitet Kopien der Blöcke an alle Netzwerkteilnehmer weiter, sodass alle Netzwerkteilnehmer – dezentral und damit weniger anfällig für Manipulationen – immer den aktuellsten Stand der Blockchain gespeichert haben. Versucht nun ein unehrlicher Teilnehmer unrichtige Transaktionsinformationen einzuschleusen, würden alle anderen Netzwerkteilnehmer den Fehler erkennen, da die Codierung des Blocks falsch wäre.
Prinzipiell kann jeder, der über die entsprechende Software verfügt, an dem Mining-Prozess teilnehmen. Regelmäßig sind die teilnehmenden Rechner aber aufgrund der enorm hohen Leistungsanforderungen professionell aufgebaute (und dementsprechend äußerst energieintensive) Mining-Farmen.
Vorteil der Blockchain ist unstreitig der hohe Grad an Transparenz, da alle Transaktionen für jeden öffentlich in dem „Kassenbuch“ einsehbar sind. Andererseits bietet die Blockchain aber auch einen hohen Grad an Anonymität, da die beteiligten Personen einer Transaktion nicht namentlich festgestellt werden können. Letzteres wird mitunter kritisiert als Nährboden für die Abwicklung krimineller Handlungen.
Verschiedene Erscheinungsformen von Tokens
In der Praxis haben sich derzeit drei verschiedene Arten von Tokens herausgebildet, die – aufgrund der sehr schnellen Veränderungen bei ICOs derzeit – weder abschließend sein können noch unveränderliche Definitionen sind.
Daneben können selbstverständlich hybride Formen aus verschiedenen oben dargestellten Tokens bestehen. So können z. B. Utility Tokens und Investment Tokens auch in die Kategorie von Currency Tokens fallen, wobei dies Auswirkungen auf die rechtliche Einordnung haben kann.
Typischer Ablauf eines ICOs
ICOs laufen häufig wie folgt ab:
ICOs sind nicht gänzlich unreguliert
Hierzulande glauben viele Mitglieder der Krypto-Branche und Token-Issuer, dass der ICO in Deutschland völlig unreguliert sei. Ursprung dieser Annahme ist vermutlich das Fehlen eines spezifischen nationalen oder europäischen „ICO-Gesetzes“. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) hat zu der Frage der Regulierung von ICOs bereits mehrfach Stellung bezogen. Zunächst hat sie eine Meldung für Verbraucher veröffentlicht, in der sie auf die Gefahren durch ICOs hinweist. Auch die europäische Aufsichtsbehörde European Securities
and Markets Authority („ESMA“) hat eine entsprechende Warnung veröffentlicht (die auch von der BaFin übersetzt veröffentlicht wurde). Diese Gefahren können beispielsweise die enormen Kursschwankungen von virtuellen Währungen, das Fehlen eines liquiden Sekundärmarktes und ein möglicher Totalverlust der Investition sein. Außerdem seien die im Rahmen von ICOs veröffentlichten White Paper oft kaum nachvollziehbar oder überprüfbar, da sie keinen gesetzlichen Vorschriften unterliegen – wie z. B. ein von der BaFin zu billigender Verkaufsprospekt. Die BaFin verweist darüber hinaus grundsätzlich auf mögliche Erlaubnis- oder Prospektpflichten nach deutschem Recht, die im Einzelfall unbedingt einzuhalten sind.
Desweiteren veröffentlichte die BaFin Ende Februar 2018 ein sog. Hinweisschreiben. In diesem befasst sie sich detailliert mit der Kategorisierung von Tokens im Bereich der Wertpapieraufsicht. Danach können Tokens im Einzelfall Wertpapiere im Sinne von § 2 Abs. 1 Wertpapierhandelsgesetz („WpHG“) bzw. § 2 Nr. 1 Wertpapierprospektgesetz („WpPG“) darstellen – ungeachtet einer möglichen (aber uE sehr theoretischen) Verbriefung oder der Bezeichnung z. B. als „Utility Token“. Entscheidend seien vielmehr die im Einzelfall in dem Token verkörperten Gesellschafterrechte oder schuldrechtlichen Ansprüche sowie damit vergleichbare Ansprüche. Auch könnten diese Anteile an einem Investmentvermögen nach dem Kapitalanlagegesetzbuch („KAGB“) oder – subsidiär – als Vermögensanlage nach dem Vermögensanlagengesetz („VermAnlG“) anzusehen sein. Folge sei die Anwendbarkeit von Verhaltens-, Transparenz- und Marktmissbrauchsanforderungen von Intermediären und Prospektpflichten von Token-Issuern.
Zudem bestünden Erlaubnispflichten nach dem KWG und dem ZAG; nach letzterem, sofern der Intermediär fremde Gelder (also den realen Gegenwert von Tokens, worunter nicht virtuelle Währungen fallen, die allerdings üblicherweise für den „Tokenkauf“ als Gegenleistung vereinbart werden) über seine Konten weiterleiten sollte (Finanztransfergeschäft nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 Alt. 1 ZAG. Auch könne Akquisitionsgeschäft nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 Alt. 2 ZAG vorliegen, sofern der Intermediär für den Zahlungsempfänger tätig würde.
Auch andere Staaten haben sich bezüglich der Regulierung von ICOs bereits deutlich positioniert. So ließ die U.S. Securities and Exchange Commission bereits Mitte 2017 ihre rechtliche Einschätzung verlauten, wonach Token im Einzelfall je nach Ausgestaltung „securities“ (dt.: Wertpapiere) sein können, sodass kapitalmarktrechtliche (Folge-)Pflichten in diesen Fällen einzuhalten sind. Und auch der niederländische Finanzminister bezog diesbezüglich Stellung und bejahte abhängig von der konkreten Ausgestaltung der Token eine Einordnung als Wertpapier. Die zuständigen chinesischen bzw. südkoreanischen Stellen gingen sogar (zumindest vorübergehend) noch einen Schritt weiter und haben ICOs gänzlich verboten. Infolgedessen müssen zahlreiche erfolgte ICOs rückabgewickelt werden.
Das Vordringen dieser Staaten zum Thema ICO gibt Anlass, die deutschen aufsichts- und kapitalmarktrechtlichen Anforderungen für Token-Issuer bzw. Handelsplattformen näher ins Auge zu fassen. Denn es darf keinesfalls übersehen werden, dass je nach Ausgestaltung des konkreten Einzelfalls die allgemeinen Regelungen des deutschen Bankenaufsichtsrechts und Kapitalmarktrechts auf die (Erst-)Platzierung von Token anwendbar sein können. Insbesondere die Nichtbeachtung möglicher Erlaubnis- und Prospektpflichten kann zu Strafbarkeit, enormen Bußgeldern sowie Schadensersatzforderungen führen. Bei der Prüfung möglicher Pflichten nach deutschem Aufsichtsrecht ist zwischen dem Token-Issuer und Handelsplattformen bzw. zwischengeschalteten Personen, die Dienstleistungen im Zusammenhang mit ICOs anbieten („Intermediäre“), zu unterscheiden.
Token als Wertpapiere – mögliche Prospektpflicht für den Token-Issuer nach dem WpPG
Ob Tokens einer Prospektpflicht nach dem Wertpapierprospektgesetz („WpPG“) unterfallen, hängt insbesondere davon ab, ob Token Wertpapiere darstellen.
Wertpapiere im Sinne des WpPG sind grundsätzlich übertragbare Wertpapiere, die an einem Markt gehandelt werden können. Kriterien für Wertpapiere sind die Standardisierung und Übertragbarkeit bzw. Handelbarkeit auf Finanz- oder Kapitalmärkten (Fungibilität).
Standardisierung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Wertpapiere anhand gemeinsamer, standardisierter Merkmale bestimmbar und daher handelbar sind, d.h. für ihren Handel die Angabe von Art und Zahl der Stücke ausreicht. Nicht standardisiert sind Anlageinstrumente, die nach besonderen Kundenwünschen individuell ausgestaltet worden sind. Handelbarkeit bedeutet Umlauffähigkeit. Diese liegt insbesondere dann vor, wenn die Übertragung mittels sachenrechtlicher Grundsätze und nicht durch Abtretung erfolgt. Die Übertragbarkeit darf damit gattungsmäßig nicht von Übertragungshindernissen abhängen. Nicht umlauffähig sind z.B. GmbH-Anteile, da hier für die Übertragung weitere Zwischenschritte in Form eines notariellen Vertrags erforderlich sind. Nicht erforderlich ist, dass ein Wertpapier verbrieft ist, allerdings muss in dem Wertpapier ein Recht verkörpert sein. Ergänzend zu der Definition des WpPG nennt der Gesetzgeber zusätzlich einen beispielhaften Katalog von Wertpapieren, u.a.:
Interessant ist die Frage, ob die drei o.g. Beispiele von Tokens als Wertpapiere zu kategorisieren sein können oder eine derartige Einordnung per se ausscheidet, Diese Einordnung spielt für die Frage einer Regulierung durch das WpHG bzw, WpPG eine entscheidende Rolle,
Ein Utility Token gewährt – vorbehaltlich individueller Gestaltungsformen – nach der Realisierung eines zu finanzierenden Projekts eine künftige Leistung. Utility Tokens sind idR standardisiert ausgestaltet. Zudem muss in dem Token ein Recht verkörpert sein. Da es Utility Token an besonderen Rechten wie einem Mitgliedschafts- oder Gesellschafterrecht bzw. damit vergleichbaren Rechten fehlt, scheidet eine Einordnung als Wertpapier wohl aus,
Currency Token sind Einheiten einer Kryptowährung. Soweit Currency Tokens nicht weitergehend ausgestaltet sind, ist ein Currency Tokens als „Ersatzwährung“ wohl ebenfalls kein Wertpapier da es insoweit auch an Gesellschafts- und Vermögensrechten (bzw. vergleichbaren Rechten) fehlt.
Investment Token beinhalten Vermögenswerte und können sowohl als Fremdkapital als auch als Eigenkapital ausgestaltet sein. Sie können z.B. mit einer Gewinnbeteiligung oder Mitgliedschaftsrechten verbunden sein. Hier ist eine Einordnung als Wertpapier im Einzelfall genau zu überprüfen. Grundsätzlich ist die Handelbarkeit über Krypto-Handelsplattformen möglich. Auch hier ist die Standardisierung bei einer Ausgabe der Tokens als Vermögensmasse anzunehmen. Regelmäßig enthalten die Investment Token Gesellschafter- und / oder Vermögensrechte. Allerdings ist denkbar, dass die Übertragbarkeit der Tokens vom Issuer ausgeschlossen wird, Zum Beispiel bei der in der Krypto-Szene geplanten Verbindung der Tokens mit Gesellschaftsanteilen, ist genau zu prüfen, ob an die Übertragbarkeit der Tokens besondere Anforderungen gestellt werden, da je nach Gesellschaftsform des Token-Issuer die Übertragbarkeit schon gesetzlich stark beschränkt wird. Außerdem ist genau zu prüfen, welche Rechte der Token im Einzelfall enthält.
Token als Vermögensanlage – mögliche Prospektpflicht für den Token-Issuer nach dem VermAnlG
Es kommt eine Vermögensanlage gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 VermAnlG in Betracht. Danach sind Vermögensanlagen „Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren“. Unter diese Variante können alle von Unternehmen ausgegebenen Token, die einen nach festgelegten Regeln bestehenden Anspruch auf Beteiligung am Gewinn dieses Unternehmens beinhalten, fallen. Insbesondere der Investment Token könnte eine solche Unternehmensbeteiligung sein, wenn die angebotenen Token ein Recht auf Gewinnausschüttung oder Beteiligung an Umsatz oder aber ein Bezugsrecht auf weitere Tokens beinhalten. Da Utility Token und Currency Token regelmäßig kein Recht auf Beteiligung am Gewinn gewähren, dürften sie als Vermögensanlage gem. § 1 Abs, 2 Nr. 1 VermAnlG ausscheiden.
Eher ausscheiden dürfte eine Einordnung von Token als (partiarisches) Nachrangdarlehen gem. § 1 Abs.2 Nr. 4 VermAnlG. Nachrangdarlehen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4 VermAnlG sind Darlehen, die ein Darlehensgeber einem Darlehensnehmer gewährt und die mit einem qualifizierten Nachrang ausgestattet sind. Nachrangdarlehen können neben einer festen Verzinsung auch eine partiarische Verzinsung vorsehen.
Der zu zahlende Gegenwert für Investment Token kann ein solches Nachrangdarlehen darstellen. Unabhängig davon muss für die Einordnung als Darlehen allerdings zivilrechtlich stets ein Geldbetrag zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet, dass die Tokens nicht mit anderen Tokens wir z.B. Ethereum oder Bitcoin, sondern – nach der bislang (noch) vorherrschenden staatlichen Theorie, nach der nur gesetzliche Zahlungsmittel „Geld“ darstellen – nur mit „echtem“ Geld (EUR, USD, etc.) bezahlt werden dürfen.
Bei der Ausgabe von Utility Token bzw. Currency Token dürfte eine Einordnung als partiarisches Nachrangdarlehen zumeist daran scheitern, dass für den vom Tokeninhaber zu zahlenden Gegenwert für die Utility bzw. Currency Tokens kein Rückzahlungsanspruch des Nachrangdarlehensnehmers (Token-Issuer) gegenüber dem Nachrangdarlehensgeber (Tokeninhaber) besteht.
Wie bereits ausgeführt könnte es sich bei Token je nach Ausgestaltung auch um Genussrechte gem. § 1 Abs. 2 Nr. 5 VermAnlG handeln. Genussrechte sind Dauerschuldverhältnisse eigener Art, die auf wiederkehrende Leistungen in Form einer Beteiligung an Gewinnen und Verlusten des Unternehmens gerichtet sind. Genussrechte sind nicht gesetzlich definiert und sehr formbar, sodass eine Einordnung von Token als Genussrechte immer berücksichtigt werden sollte. Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Genussrechts kann die Ausgabe von Token-Bedingungen (wie die in der Regel geltenden Terms & Conditions), die für alle gleich sind und eine Umsatz-/Gewinnbeteiligung oder feste Zinsen / Dividenden vorsehen, sein. Utility Token bzw. Currency Token dürften dagegen keine Genussrechte darstellen, da sie keine Gewinnrechte vermitteln.
Token können jedenfalls auch vom Auffangtatbestand der sogenannten sonstigen wirtschaftlichen Anlagen des § 1 Abs. 2 Nr. 7 VermAnlG umfasst sein. Nr. 7 beinhaltet zwei verschiedene Alternativen. Die erste Alternative umfasst Anlageformen, die sowohl einen Anspruch auf Rückzahlung als auch eine Verzinsung gewähren oder in Aussicht stellen (darlehensähnliche Finanzierungen).
Unter die erste Alternative der wirtschaftlich vergleichbaren Anlagen dürften (nur) Investment Tokens fallen, die einen darlehensähnlichen Rückzahlungsanspruch und Zinsen über einen bestimmten Zeitraum gewähren, wenn sie nicht bereits von vorrangigen Formen der Vermögensanlage erfasst werden.
Die zweite Alternative umfasst eine Anlage, die einen vermögenswerten, auf Barausgleich gerichteten Anspruch für die zeitweise Überlassung von Geld vermittelt. Im Gegensatz zu der ersten Alternative wird keine Verzinsung, sondern etwas wirtschaftlich Vergleichbares gewährt.
Utility Token Issuer gewähren zumeist keinen Anspruch auf Barausgleich, sondern meistens gar keinen Gegenanspruch oder (zumindest auch) eine Sach- oder Dienstleistung als Gegenwert zu der Überlassung von virtuellen Währungen (z.B. vergünstigte Ware, Nutzung von Speicherplatz). Daher dürften Utility Token auch nicht unter die zweite Alternative fallen. Currency Tokens verkörpern in der Regel keinen Gegenanspruch des Token-Issuers, Sie dienen vielmehr lediglich als privatrechtlich geschaffener Geldersatz und können – bei ausreichendem Wert, den der Markt zumisst – gegen Waren oder Dienstleistungen eingetauscht werden. Dies kann im Einzelfall bei Currency Tokens anders sein, wenn ein zentraler Token-Issuer bei „Rückgabe“ einen Gegenwert auszahlt oder in Aussicht stellt.
Investment Tokens, die ein Hin und Her von Geldströmen ohne Gewinnbezugs- oder Zinsansprüche gewähren (oder in Aussicht stellen), können wirtschaftlich vergleichbar im Sinne der zweiten Alternative sein. Insbesondere sofern lediglich eine Rückzahlung von Geld zu einem späteren Zeitpunkt oder auch ein vorgeschobener Kauf von Sach- oder Dienstleistungen (der tatsächlich zu keiner Zeit in die Lieferung oder Bereitstellung dieser Leistungen münden soll) durch die Tokens in Aussicht gestellt (oder vermittelt) wird, dürfte es sich bei dieser Form von Investment Tokens um wirtschaftlich vergleichbare Anlagen der zweiten Alternative handeln.
Aufsichtsrechtliche Anforderungen an Intermediäre und Plattformen
Grundsätzlich ist die Nutzung von Tokens als „Ersatzgeld“ und auch der An- oder Verkauf selbst geschürfter oder erworbener Token nicht erlaubnispflichtig nach dem Kreditwesengesetz („KWG“). Allerdings kann bei Hinzutreten weiterer Umstände eine derartige Erlaubnispflicht entstehen.
Token stellen aus Sicht der BaFin im Regelfall Finanzinstrumente in Form von Rechnungseinheiten nach dem KWG dar. Eine Erlaubnispflicht sollte speziell von Unternehmen oder Personen, die gewerblich mit Token umgehen, berücksichtigt werden.
Soweit Token als Wertpapiere ausgestaltet sind und Intermediäre eingeschaltet werden, die den Vertrieb der Tokens auf dem Sekundärmarkt betreiben (z.B. über eine spezielle Plattform), benötigen diese Intermediäre je nach Art und Umfang der Tätigkeit eine Erlaubnis der BaFin für die Erbringung von Finanzdienstleistungen nach § 32 KWG.
Insbesondere dürfte die Erbringung des Finanzkommissionsgeschäfts in Betracht kommen. In der Praxis handelt es sich bei Finanzkommissionären im Bereich der virtuellen Währungen um Personen oder Plattformen, die selbst für andere auf deren Rechnung Token kaufen oder verkaufen. Daneben können Plattformbetreiber ein multilaterales Handelssystem mit Tokens betreiben. Dieses erfordert nach der BaFin den Betrieb eines multilateralen Systems, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb eines Systems nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt, die zu einem Vertrag über den Kauf der Token führt.
Darüber hinaus könnte es sich auch um Anlagevermittlung oder Abschlussvermittlung handeln.
Die gewerbliche Vermittlung von Tokenkäufern und Verkäufern auf dem Sekundärmarkt stellt je nach konkreter Ausgestaltung einen Fall der erlaubnispflichtigen Anlage- oder Abschlussvermittlung nach dem KWG dar. Dies dürfte insbesondere auf Intermediäre, die Handelsplattformen zum Kauf und Verkauf von Tokens als Boten oder gar Stellvertreter von Käufern oder Verkäufern anbieten, zutreffen wie die typischen Kryptowährungs-Börsen Kraken, Tokn, etc.
Sind die Token als Vermögensanlage ausgestaltet, kommt für den Intermediär anstelle einer KWG-Erlaubnis auch ggf. eine mit geringeren Anforderungen verbundene Erlaubnis gem. § 34f Gewerbeordnung in Betracht. Auch eine Erlaubnis/Registrierung nach dem Kapitalanlagegesetzbuch könnte im Einzelfall in Betracht kommen.
Darüber hinaus muss die Plattform oder der Intermediär auch die Einhaltung etwaiger Anforderungen durch geldwäscherechtliche Vorschriften sicherstellen.
Fazit
All dies zeigt: ICOs sind – entgegen zahlreicher anderslautender Meldungen – im Ergebnis keinesfalls gänzlich unreguliert. Das Fehlen spezifischer ICO-Gesetze führt nämlich nicht zu einem rechtsfreien Raum, sondern zu einer Anwendbarkeit des allgemeinen deutschen (Aufsichts-)Rechts, sofern (auch) der deutsche Markt angesprochen wird. Dies dürfte in der Regel bei einem ICO mittels Internet vorliegen. Die BaFin bestätigte dies und stellte erst kürzlich klar, dass für die Frage der aufsichts- oder kapitalmarktrechtlichen Regulierung die konkrete Ausgestaltung der Tokens ausschlaggebend sei. Bei Missachtung aufsichtlicher Vorschriften seien konsequente verwaltungsrechtliche Maßnahmen wie die Geschäftseinstellung oder hohe Bußgelder durch die BaFin zu erwarten. Aufgrund der enormen Summen, die im Rahmen von ICOs eingenommen werden, wird die BaFin wohl restriktiv einschreiten. Investoren und Token-Issuer sollten sich daher nicht vom „schnellen Geld“ verleiten lassen, sondern ICOs mit Vorsicht genießen und möglicherweise einschlägige Normen vorab gründlich prüfen (lassen).
Eine maßvolle Regulierung der ICO-Branche könnte gleichzeitig auch Sicherheit und Stabilität für den Markt und die Investoren bedeuten. Dies könnte noch mehr potenzielle Investoren zu Investitionen im Rahmen von ICOs veranlassen und den aufstrebenden Markt noch weiter befeuern.
Es bleibt daher abzuwarten, wie der ICO-Markt unter den anhaltenden Bestrebungen verschiedener Nationen zu einer weitergehenden Regulierung von ICOs reagiert und ob das die anhaltende Erfolgsstory aufhalten kann.