Breaking News – Enttäuschender Regierungsentwurf für Crowdfunding-Regulierung
Nach zum Teil heftiger Kritik am Referentenentwurf eines Kleinanlegerschutzgesetzes vom 18. Juli 2014 (wir berichteten hierzu in unserem Newsletter vom 1. August 2014) haben die zuständigen Ministerien das Regelwerk noch einmal grundlegend überarbeitet. Heute hat die Bundesregierung auf dieser Grundlage ihren Regierungsentwurf verabschiedet.
Um die Finanzierung junger Unternehmen und Projekte mittels Crowdfunding durch diese neue Regulierung nicht im Keim zu ersticken, sieht der Regierungsentwurf weiterhin eine Ausnahme vor, die gerade auf diese Finanzierungsform zugeschnitten ist. Die „Crowdfunding-Ausnahme“ führt bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zu einer erheblich erleichterten Regulierung, bei der insbesondere die Pflicht zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospektes entfällt.
Betreffend diese „Crowdfunding-Ausnahme“ enthält der Regierungsentwurf zum Teil einschneidende Veränderungen gegenüber dem bisherigen Gesetzesvorhaben. In anderen Bereichen wurden die Bedürfnisse der Branche hingegen berücksichtigt.
Die wohl wesentlichste Änderung betrifft die Zulassung von Anlegern innerhalb der Crowdfunding-Ausnahme. Während nach dem Referentenentwurf der Anlagebetrag je Anleger pauschal auf EUR 10.000 je Projekt beschränkt war, sieht der Regierungsentwurf hier nun eine weitere deutliche Einschränkung vor.
So ist der Gesamtbetrag, den ein Anleger in Vermögensanlagen eines Emittenten (Start-Up, Projektinitiator o. ä.) investieren kann wie folgt begrenzt:
Dies stellt gegenüber dem Referentenentwurf eine erhebliche Beschränkung von Crowdfunding-Investitionen dar. So wurden nicht nur keine höheren Investitionen zugelassen, sondern zugleich die Anforderungen für Investitionen zwischen EUR 1.000 und EUR 10.000 erheblich verschärft.
Ab einem Investment von EUR 1.000 ist nun eine Selbstauskunft gegenüber der Plattform Voraussetzung für die Zulassung des Anlegers. Insoweit ist zu befürchten, dass die erforderliche Selbstauskunft sich negativ auf die Conversion-Rate auswirken wird. Eine Reihe von Anlegern könnte durch eine Selbstauskunft zu finanziellen Fragen abgeschreckt werden und daher den Investitionsprozess an dieser Stelle abbrechen.
Inwieweit die Plattform zur Überprüfung der von den Anlegern in der Selbstauskunft gemachten Angaben verpflichtet ist, lassen Regierungsentwurf und Begründung offen. Da der Regierungsentwurf hier ausdrücklich von einer „Selbstauskunft“ spricht, sprechen aus unserer Sicht gute Argumente dafür, dass hier keine Prüfung durch die Crowdfunding Plattform erforderlich ist. Insoweit dürfte es sich aber dringend empfehlen, im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens auf eine ausdrückliche Klarstellung hinzuwirken.
Einziger Lichtblick in diesem Zusammenhang ist, dass die Begründung zum Regierungsentwurf hinsichtlich der Selbstauskunft klar stellt, dass diese „auf das zur Prüfung der Einhaltung der Anlageschwellen Erforderliche beschränkt“ werden könne, „die genaue Gesamthöhe des Vermögens oder Monatseinkommens des jeweiligen Kunden [muss] regelmäßig nicht erhoben werden“. Insoweit ist lediglich zu beachten, dass diese Ausführungen die Pflicht zur Einholung von Selbstauskünften für Wertpapierhandelsunternehmen betreffen. Da diese jedoch inhaltsgleich zur Pflicht von Crowdfunding Plattformen ist, dürften die Erläuterungen übertragbar sein. Auch hier wäre eine Klarstellung wünschenswert.
Enttäuschend ist insbesondere aber, dass der Regierungsentwurf nicht der Forderung nach einer Zulassung von erfahrenen Investoren (Business Angels) für Investitionen über EUR 10.000 gefolgt ist. Dieses ist nicht nachvollziehbar und dürfte sowohl die Crowdfunding- als auch die Business Angel-Branche hart treffen. Es wäre ein nachvollziehbarer Ansatz gewesen, die nun im Entwurf vorgesehene Selbstauskunft zu den Vermögens- bzw. Einkommensverhältnissen – kombiniert mit einer Mindestbeteiligungssumme von z. B. EUR 100.000 – für erfahrene Investoren vorzusehen.
Für das bei allen Crowdfunding Kampagnen ab einer Beteiligungshöhe von EUR 250 erforderliche Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) enthielt der Referentenentwurf noch einen tatsächlich nicht nachvollziehbaren Anachronismus: der Anleger sollte das VIB ausdrucken, handschriftlich unterschreiben und anschließend zur Post bringen.
Nach erheblicher Kritik ist der Regierungsentwurf hiervon abgerückt. So soll es nun ausreichen, dass das VIB ausgedruckt, unterzeichnet, eingescannt und per E-Mail an den Anbieter gesandt wird. Dies stellt zwar gegenüber dem Postversand eine erhebliche Erleichterung dar. Warum jedoch weiterhin die eigenhändige Unterschrift erforderlich ist, bleibt unerklärlich.
Letztendlich sollte die Kenntnisnahme des Anlegers unabhängig von den verwendeten Medien bestätigt werden können. So ist es ohne weiteres möglich, Allgemeine Geschäftsbedingungen online durch einen entsprechenden Klick zu akzeptieren. Anders als beim VIB handelt es sich dabei sogar nicht lediglich um ein Informationsdokument sondern um den eigentlichen Vertragsinhalt. Eine vergleichbare Lösung wäre daher auch für die Bestätigung des Anlegers über den Erhalt des VIB ausreichend.
Für die Werbung für Vermögensanlagen sah der Referentenentwurf vor, dass diese nur noch in Medien erfolgen durfte, „deren Schwerpunkt zumindest auch auf der Darstellung von wirtschaftlichen Sachverhalten liegt“ und die Werbung zugleich „im Zusammenhang mit einer solchen Darstellung“ stand.
Hierbei bleibt es im Grundsatz. Der Regierungsentwurf nimmt lediglich die Presse von dieser Beschränkung aus. Demnach bleibt die Werbung für Vermögensanlagen in Printmedien und deren Online-Ausgaben unbeschränkt zulässig. Werbung in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter dürfte jedoch auch nach dem Regierungsentwurf verboten sein.
Diese Regelung steht im Widerspruch zum Konzept des (internetbasierten) Crowdfunding, das gerade darauf ausgelegt ist, eine breite Öffentlichkeit anzusprechen, um die Finanzierung aufstrebender Unternehmen durch eine Vielzahl von kleineren Investments zu schultern.
Für den Bereich des Peer-to-peer-Lending – also die Vergabe von Krediten von privat an privat – stellt die Begründung zum Regierungsentwurf klar, dass diese Angebote immer dann außerhalb des Anwendungsbereichs des Vermögensanlagengesetzes liegen, wenn eine Bank „den Erwerb von Teilbeträgen von Kreditforderungen als Vermögensanlage dauerhaft und wiederholt anbietet“.
Damit dürften die Geschäftsmodelle der in Deutschland etablierten Peer-to-peer-Lending Plattformen außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Regulierung verbleiben. Neue Geschäftsmodelle und Mischformen müssen hingegen stets genau prüfen (lassen), ob die genannte Ausnahme auch auf sie Anwendung findet.
Keine Änderungen sieht der Regierungsentwurf bei folgenden Punkten vor:
Das Maximum von EUR 1 Mio. je Crowdfunding Kampagne betrifft insbesondere Bereiche mit erhöhtem Kapitalbedarf, wie etwa den momentan aufkommenden Trend des Immobilien-Crowdfunding.
Der Umstand, dass die erleichterte Regulierung nur für eine Art von Vermögensanlagen gelten soll, zementiert einen Zustand, der allein der Struktur der bisherigen Regulierung – bzw. Nicht-Regulierung – geschuldet ist. Er ist weder von den Marktteilnehmern gewünscht, noch ist er aus Gründen des Anlegerschutzes wünschenswert. Anscheinend vermag sich diese Erkenntnis in Berlin aber nicht durchzusetzen.
Nachdem der Regierungsentwurf nun erst kurz vor Jahresende auf den Weg gebracht wurde, stehen in den nächsten Wochen Beratungen im Bundestag, dessen Ausschüssen und anschließend im Bundesrat bevor. Mit der Verabschiedung des Gesetzes wird nicht vor Anfang 2015 gerechnet. Inkrafttreten würde das Gesetz dann voraussichtlich zur Jahresmitte 2015 – im Gespräch ist der 30. Juni 2015.
Die weitere Beschränkung der Investitionsmöglichkeiten im Bereich Crowdfunding stehen dem erklärten Ziel der Bundesregierung, den „Anliegen der mit Crowd-Investitionen finanzierten jungen Unternehmen Rechnung zu tragen“ diametral entgegen. Durch die weitere Erschwerung von Investitionen über EUR 1.000 wird es dieser neuen Finanzierungsform erheblich erschwert, sich am Markt zu etablieren.
Auch darüber hinaus hätte der eingeschlagene Weg noch beherzter begangen werden können. Wünschenswert wären aus unserer Sicht insbesondere Anpassungen in folgenden Bereichen: