Nach dem heftig umstrittenen Regierungsentwurf zum Kleinanlegerschutzgesetz (wir berichteten hierzu in unserem Newsletter vom 12. November 2014) wurde letzten Donnerstag, den 23. April 2015, das Kleinanlegerschutzgesetz mit den Stimmen der Regierungskoalition verabschiedet. Der Bundestag hat nach Empfehlung des Finanzausschusses für die Crowdfunding-Szene erfreuliche Verbesserungen gegenüber den Entwürfen vorgenommen und so den Befürchtungen nach einer zu starken (und damit teuren) Regulierung der jungen Branche entgegengewirkt.
Die auch in unserem Newsletter vom 12. November 2014 benannten wünschenswerten Änderungspunkte wurden größtenteils aufgegriffen und umgesetzt. Das Gesetz stellt somit ein Gleichgewicht zwischen Verbraucherschutz und der Förderung des Wachstums junger Unternehmen in Deutschland her.
Auch wenn einige Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf berücksichtigt wurden, soll die Obergrenze des Anlagebetrags pro Anleger – der keine Kapitalgesellschaft ist (hierzu sogleich) – bei EUR 10.000 bestehen bleiben. Desweiteren bleibt auch unverändert, dass ab einem Anlagebetrag von EUR 1.000 der Anleger eine Selbstauskunft gegenüber der Plattform tätigen muss. Er muss bestätigen, dass er über ein frei verfügbares Vermögen von mindestens EUR 100.000 verfügt bzw. maximal zwei Netto-Monatsgehälter investiert.
Welche Form die Erklärung des Anlegers haben muss – Papier oder elektronisch – ist nicht vorgeschrieben. Wir gehen davon aus, dass sie in elektronischer Form abgegeben werden kann. Dennoch bleibt selbstverständlich die Befürchtung, dass sich viele potentielle Anleger von den Fragen zu ihren finanziellen Verhältnissen in der Selbstauskunft abschrecken lassen und deshalb den Investitionsprozess abbrechen.
Inwieweit die Plattformen eine Überprüfung der durch die Anleger vorgenommenen Selbstauskunft vorzunehmen haben, ergibt sich auch aus den letzten Änderungen nicht abschließend. Dadurch, dass allerdings der Begriff „Selbstauskunft“ gewählt wurde und eine Prüfpflicht im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist, ist aber wohl davon auszugehen, dass keine Pflicht der Plattformen zur Überprüfung dieser Angaben bestehen dürfte.
Dem Ruf nach einer Ausnahme von der Einzelanlageschwelle von EUR 10.000 für „professionelle Investoren“ wurde gefolgt – wenngleich die konkrete Ausgestaltung nur teilweise sinnvoll erscheint.
Allein für Kapitalgesellschaften im Sinne des 2. Abschnitts des 3. Buches des Handelsgesetzbuches – GmbH, AG und KGaA – ist eine Ausnahme von der Obergrenze des Anlagebetrages vorgesehen. Da diese nach der Gesetzesbegründung ein „höherer Professionalitätsstandard“ auszeichnen soll, unterliegen Kapitalgesellschaften nicht der Beschränkung auf ein maximales Investment von EUR 10.000. Weshalb der Gesetzgeber diese Ausnahme nur für Kapitalgesellschaften vorsieht, ist nicht wirklich nachzuvollziehen. Es hätte sich aus unserer Sicht vielmehr angeboten, an anderweitige – übliche – Abgrenzungskriterien (z. B. Investitionssumme oder Erfahrung/Kompetenz) anzuknüpfen.
Dennoch ist dieses sehr zu begrüßen. Insbesondere für Business Angels bedeutet es, dass sie über die Schwelle von EUR 10.000 hinaus unbegrenzt investieren können, wenn sie die – ohnehin oft gewählte – Form einer GmbH wählen.
Besonders zu begrüßen ist es, dass eine Prospektpflicht erst ab einem Maximalbetrag von EUR 2,5 Mio. je Crowdfunding-Kampagne vorgesehen ist. Die – erheblich – erhöhte Schwelle ist erst im Zuge der Beratungen im Finanzausschuss in das Kleinanlegerschutzgesetz gelangt. Die Entwürfe zum Gesetz sahen noch eine Grenze von EUR 1 Mio. vor.
Damit dürfe sich die Crowdfunding-Branche in Deutschland nicht mehr – wie nach der ursprünglich vorgesehenen Schwelle von EUR 1 Mio. – gegenüber anderen Europäischen Mitgliedstaaten erheblichen Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt sehen. Deutschland steht damit z. B. auf einer Stufe mit den Niederlanden.
Insbesondere können sich damit auch größere Projekte – wie z. B. Immobilien oder erneuerbarer Energien – im Crowdfunding-Bereich immer mehr etablieren, ohne dass dafür die Erstellung eines zeit- und kostenintensiven Verkaufsprospektes erforderlich ist.
Eine ähnliche Ausnahme gilt auch für soziale und gemeinnützige Projekte. Beachtenswert ist, dass der Gesetzgeber eine erleichterte Regulierung für soziale Projekte vorsieht, die sogar Umsätze von bis zu EUR 10 Mio. erreichen können. Dies allerdings nur, sofern dieses Projekt keinerlei Vergütung erhält und der gewährte Zinssatz 1,5 Prozent nicht übersteigt.
Nachdem im Referentenentwurf noch vorgesehen war, ab einer Beteiligungshöhe von EUR 250 bei Crowdfunding-Kampagnen das erforderliche Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) auszudrucken und handschriftlich unterschrieben zur Post zu bringen, kann die Bestätigung nun vollständig auf elektronischem Wege erfolgen, soweit die Identität des Anlegers zweifelsfrei erkennbar ist.
Auf der anderen Seite muss das VIB nun grundsätzlich dem Anleger zur Verfügung gestellt werden, die Ausnahme von dieser Pflicht für Investitionen bis EUR 250 ist entfallen.
Eine zweifelsfreie Identitätsfeststellung soll bereits dann vorliegen, wenn der Anleger ein Profil auf einer der Crowdfunding-Plattformen angelegt hat. Wie bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen schon länger üblich, soll nun die Kenntnisnahme des VIB über einen Klick in eine Box auf der Internetseite ausreichen.
Auch die zunächst geplante Beschränkung der Werbung auf Medien „deren Schwerpunkt zumindest auch auf der Darstellung von wirtschaftlichen Sachverhalten liegt“ wird aufgegeben. Werbung soll demnach neben Printmedien und deren Online-Ausgaben auch in sozialen Netzwerken wie facebook und twitter möglich sein, sofern sie mit einem deutlich hervorgehobenen Warnhinweis betreffend die mit dem Angebot verbundenen erheblichen Risiken versehen ist.
Der Gesetzgeber hat im Rahmen dieser Änderung die beschränkenden Vorschriften vollständig gestrichen. Stattdessen hat er zugunsten des Anlegerschutzes Warnhinweise und ein – bisher schon in der Branche übliches bzw. vorgeschriebenes – 14-tägiges Widerrufsrecht für die Anleger vorgesehen sowie die Verjährung von Ansprüchen der Anleger an die Regelverjährung von mindestens drei Jahren angepasst.
Für den Anleger muss die Bewerbung nun aber eindeutig mit folgendem Warnhinweis versehen werden: „Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum Verlust des eingesetzten Vermögens führen“, was den interessierten Beobachter an die Warnhinweise auf Zigarettenschachteln erinnern dürfte.
Bei Werbung in elektronischen Medien können die erforderlichen Warnhinweise in einem separaten Dokument durch einen Link auf einer anderen Internetseite erfolgen, wenn die Werbung weniger als 210 Schriftzeichen umfasst und einen deutlich hervorgehobenen Link zu diesem Dokument enthält, welcher als „Warnhinweis“ gekennzeichnet ist. Dieses dürfte insbesondere die Werbung über twitter weiterhin möglich machen, da ansonsten der Warnhinweis mehr Zeichen einnehmen würde, als die eigentliche Werbung. Eine Vermögensanlage, die mit einem variablen Zinssatz wirbt, muss darüber hinaus zur Verdeutlichung der bloß zu erwartenden Rendite einen Hinweis enthalten, der bestimmt, dass „der in Aussicht gestellte Ertrag nicht gewährleistet ist und niedriger ausfallen kann“.
Durch diese Änderung kann folglich der für Crowdfunding-Projekte ausschlaggebende Anlegerkreis weiterhin über die für diese Branche üblichen Wege erreicht und angesprochen werden.
Auch das Bundeswirtschaftsministerium hat passend zur Verabschiedung des Gesetzes in einem Bericht zur „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ Handlungsempfehlungen herausgegeben, die die Rahmenbedingungen für Start-ups erleichtern sollen. Dazu sollen „die Potenziale der noch jungen Finanzierungsform des Crowdfundings genutzt und langfristig ausgebaut werden“ und steuerliche aber auch regulatorische Hemmnisse gesenkt werden. Langfristig wird eine Harmonisierung auf EU-Ebene angestrebt und vorangetrieben.
Nachdem das Kleinanlegerschutzgesetz den Bundestag passiert hat, wird es nun dem Bundesrat zugeleitet werden. Dies ist für Juni 2015 vorgesehen.
Das Inkrafttreten des Gesetzes wird somit weiterhin zur Jahresmitte 2015 erwartet. Ende 2016 soll dann aber insbesondere mit Blick auf die Crowdfunding-Regulierung das Gesetz noch einmal einer Überprüfung unterzogen werden.
Durch die letzten nun beschlossenen Änderungen kann die Crowdfunding-Branche aufatmen und einer insgesamt positiven Zukunft entgegensehen. Die Politik hat die kritisierten Punkte aufgegriffen und entsprechend reagiert – auch wenn es weiterhin Stimmen gibt, die eine schärfere Regulierung von Crowdfunding-Plattformen und insbesondere eine Standardisierung des Verkaufsprospektes fordern. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass im Rahmen der für Ende 2016 geplanten Überprüfung der Auswirkungen des Kleinanlegerschutzgesetzes möglicherweise regulatorische Verschärfungen vorgenommen werden.
Schon allein die Anhebung der Obergrenze für Crowdfunding-Projekte auf EUR 2,5 Mio. macht Deutschland für Investoren und Projekte – insbesondere auf den Gebieten Erneuerbare Energien, Immobilien und Start-Ups – zu einem attraktiven Wettbewerber im europäischen Markt. Die insgesamt im Aufwind begriffene Finanzierungsform des Crowdfunding kann sich so im Finanzierungsmarkt behaupten und insbesondere für junge Wachstumsunternehmen eine Alternative für die hergebrachten Finanzierungswege darstellen.
Das nun verabschiedete Kleinanlegerschutzgesetz stellt insgesamt die Balance zwischen notwendigem Anlegerschutz und regulatorischem Spielraum für eine junge Branche her